1. Dezember 1971, Mittwoch: Nothelferkurs

Hätten wir im August, als wir den 'Phantasieaufsatz' Wie ich einem Menschen das Leben rettete, doch nur schon gewusst, was wir Ende November erfahren sollten! Aber gut, vielleicht wäre der Aufsatz dann etwas weniger phantasievoll herausgekommen.

Der Nothelferkurs im Herbst stand eher im Zeichen des Handfesten und Realistischen. Am Donnerstag, dem 25. November, hatten die Rektorate der Bremgarter Schulen im Bezirksanzeiger grob umrissen, worum es gehen sollte: "Wie verhält man sich bei Verkehrsunfällen? Auf welche Weise werden Verletzte richtig gelagert? Welche Massnahmen sind bei Atemstillstand zu ergreifen? Wie wird eine lebensbedrohende Blutung sinnvoll zum Stillstand gebracht?"

Bremgarter Bezirksanzeiger, 25.11.1971

"Die steigende Zahl von Verkehrsunfällen und Katastrophen lässt Nothelferkurse immer dringender erscheinen."

5 zweistündige Lektionen sind vorgesehen, vom 25. November bis am 1. Dezember. Das müssen dann Donnerstag (25.11.) und Freitag sowie Montag, Dienstag und Mittwoch (1.12.) gewesen sein. Die vier ersten Doppellektionen am Vorabend zwischen 17.30 und 19.30, da der Stundenplan nichts anderes zulässt. Nur die letzte Doppellektion am Mittwoch findet am Morgen statt.

Zwei Wochen nach dem Ende des Kurses brachte der Bremgarter Bezirksanzeiger einen ausführlichen Bericht. Eine Autorin, ein Autor ist nicht namentlich genannt. Aber die schreibende Person ist ganz offensichtlich im Kurs vorbeigekommen, um sich ein Bild zu machen: "Als wir den Kurs in der Turnhalle besuchten, waren wir im ersten Moment schockiert und beruhigt zugleich. Schockiert, weil überall in den zwei Turnhallen und in den Gängen auf Matten 'leblose Gestalten' lagen. Teilweise halb zugedeckt mit Wolldecken oder mit Wundverbänden versehen."

130 SchülerInnen der Oberschule, der Sekundarschule und der Bez sind dabei, 14 Mitglieder des Samaritervereins Bremgarten und 5 Lehrer instruieren die verschiedenen Gruppen. Im Frühjahr 1970 hat ein erster solcher Kurs stattgefunden, ein Jahr später ein zweiter. Weil die SchülerInnen im Frühjahr aber stark mit Abschlussprüfungen beschäftigt waren, hat man nun auf den Herbst umgestellt.

Und was lernen wir? Das Wichtigste, was unter den Begriff 'Erste Hilfe' fällt: eine Situation beurteilen, nach einem Unfall etwa; jemanden richtig lagern; eine Wunde mit einem Druckverband verbinden; eine Person künstlich beatmen.

Es muss ein ziemliches Gedränge geherrscht haben, so viele Leute in der Turnhalle. Man übt in Gruppen, "fein säuberlich nach Geschlecht getrennt". Das war natürlich schon falsch. Ich kann mich zwar nicht mehr an allzu viel erinnern, aber an eines ganz deutlich: es war elend, eine Plastikpuppe zu beatmen, statt das Mädchen zu küssen, in das ich gerade verliebt war.

Am Schluss gab's für die nun ausgebildeten NothelferInnen eine Kurs-Bestätigung. Ich habe sie noch jahrelang in meinem Portemonnaie mit mir herumgetragen.