Deutsch in der ersten Bez

Man kann sich das ja grundsätzlich immer fragen: weshalb soll man in der Schule die Sprache lernen, die man bereits kann? In unserem Fall: Deutsch. Vermutlich, weil man in der Bez noch nicht perfekt Deutsch kann und eine Verbesserung auch da ein lohnendes Ziel sein könnte.

Das Ziel des Deutschunterrichts wird im Lehrplan für die Bezirksschulen des Kantons Aargau von 1972 folgendermassen umschrieben:

Dies zu erreichen verlange "stetige mündliche und schriftliche Übungen in Phonetik, Grammatik und Stilistik." Die Klasse solle dabei auf Sprach- und Lesebücher zurückgreifen, und "Auch Schallplatte und Tonband können hier gute Dienste leisten."

Der Phantasie sei im Unterricht "ein angemessener Spielraum zu gewähren." Im mündlichen Unterricht gelte es insbesondere, "die Mitteilungsfreude der untern Klassen zu erhalten und durch geschickte Aufgabenstellung zu fördern." Daneben aber nicht zu vergessen: "Die Grammatik verschafft Einblick in den Bau der Sprache und unterstützt damit wesentlich deren richtige Handhabung."

Für die erste Klasse sah der Lehrplan Folgendes als "verbindlichen Lehrstoff" vor:

Aus der ersten Bez haben sich bei mir zwei Hefte erhalten: eines mit Aufsätzen und ein anderes, das überschrieben ist mit Deutsch-Übungsheft. Die zwölf Aufsätze, die wir in der ersten Bez geschrieben haben, sind an anderer Stelle beschrieben. Das Übungsheft wiederum enthält Hinweise darauf, dass Lehrer Caduff unsere Rechtschreibung und Grammatikkenntnisse am Herzen lagen. Daneben gab es sicher noch mehr, aber 'Spuren' davon sind nur wenige noch da.

Die Diktate                    

Acht Diktate finden sich im Heft, das letzte im November 69. Gab's danach keine mehr? Die Zeit der Diktate war jedenfalls noch nicht vorbei, in der zweiten Klasse hatten wir weiterhin Diktate zu schreiben. Nötig war es bei mir jedenfalls noch, wenn ich mir ansehe, dass der 'Kuckuck' Anfang Bez noch als 'Kuckkuck' daherkam und das 'bisweilen' als 'bissweilend'

Immer wieder hatten die Diktate ihre eigenen Heimtücken. Am 14. November 69 kamen innerhalb weniger, künstlich etwas aufgeblasener Sätze einige Stolpersteine vor:

flugs / Klecks / Axt / Knacks / Büchse / Dachsbau / Füchse / heranwachsen / fix / Ochsen / Deichsel

Bei den Verbesserungen dann der Klassiker: alles dreimal richtig schreiben!

Und à propos korrigieren: Caduff setzte uns bei einigen der Diktate als Hilfs-Sheriffs ein: wir sollten in den Diktaten einer Mitschülerin oder eines Mitschülers nach Fehlern suchen und diese anstreichen. Caduff überprüfte dann nur noch und gab die Noten. Das setzte wohl voraus, dass wir selbst zuerst sicher sein mussten, wie etwas geschrieben wird, bevor wir es bei einem andern als falsch anstrichen. Und damit der ganze Prozess auch transparent war, hatten die Hilfs-Sheriffs ihr 'Fehlerprotokoll' zu unterzeichnen. So weiss ich heute, dass sich in der ersten Bez Jörg, Roland, Werner und Christine über meine Orthografie gebeugt haben.

Die Grammatik

Eine ausgiebige Definition des Substantivs legte den Grundstein zum Grammatik-Gebäude:

Der Deklination war das nächste grössere Kapitel gewidmet – teilweise mit farbigen Darstellungen, um das Wesentliche herauszustellen:

Es wäre damals wohl niemandem in den Sinn gekommen, ein Büchlein zum Thema 'Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod' zu schreiben. Wir übten den Genitiv offenbar à gogo – mit Beispielen, die heute doch etwas antiquiert tönen:

Die Wohnung Herrn Brunners. Die Wohnung des Herrn Brunner.

Und beim Genitiv zeigten sich auch die feinen Nuancen der kulturellen Wertschätzung:

Friedrich Schillers Werke, Johann Sebastian Bachs Fugen. John Lennons "Werke" .

Das Adjektiv in seinen verschiedenen Formen und Stellungen sowie die verschiedensten Pronomen beschäftigten uns für den Rest des Jahres punkto Grammatik. Alles immer möglichst anschaulich dargestellt…

… und vertieft in Übungen.

Eine Prüfung hat sich erhalten, eine Grammatikprüfung VERB (I.). Wer sie bestehen wollte, musste wissen, wie man mit transitiven Verben umgeht, musste die Verben nach Voll-, Modal- und Hilfsverben unterscheiden können, die Formen des Partizips Präsens und des Partizips Perfekt beherrschen und auch "von der Mundart ins Schriftdeutsch" übersetzen können: etwa den Satz Du chöntesch emool goge luege.

Gedichte

Wir haben sicher manches gelesen, die Frage ist nur: was. Ein einziger Hinweis findet sich im Übungsheft Deutsch. Wir haben ganz offensichtlich Heinrich Heines Gedicht 'Belsazar' behandelt, denn als ausdrückliche 'Ergänzung' zum Gedicht finden sich einige Angaben zur Geschichte der Stadt Babylon, zur historischen und biblischen Person Belsazar und wie die Hand an der Wand des Palastes schrieb: "Meneh, meneh tekel upharsin" . Und daneben zwei Skizzen zu den geografischen Verhältnissen.

Belsazar: ein frühes Beispiel für fächerübergreifendes Nachdenken.