16. Februar 1973: Shanghai ist die grösste Stadt der Welt

Welche Bilder stecken in den Wörtern, wenn wir erst ihren Klang, nicht aber ihren Inhalt kennen?

Ich wollte nach Andorra und ich wollte zum Taj Mahal reisen – nur um zu sehen, was sich hinter dem Klang verbirgt.

Shanghai. Als ich vor einigen Tagen das Bild im Bremgarter Bezirksanzeiger sah, so ganz anders, als ich mir Shanghai heute vorstelle: da dämmerte die Frage – – – woran liegt es, dass Shanghai in mir China ist? Viel mehr als Peking, viel mehr als alles andere? Woher 'kenne' ich Shanghai?

Der Verdacht scheint zunächst abwegig. Tintin? Hat Hergé seinen Helden in 'Le Lotus bleu' nicht einfach in einer anonymisierten chinesischen Welt auftreten lassen? Let's check. Und tatsächlich:

Tintin: Le Lotus bleu

Und jetzt, 1973, ist also Shanghai die grösste Stadt der Welt. 10,6 Millionen Einwohner. Vor Tokio, New York, Peking, London und Moskau.

Shanghai. Bremgarter Bezirksanzeiger, 16.2.1973

Mehrstöckige Gebäude am andern Ufer, ein Gewirr von einfachen Häusern am diesseitigen, und dazwischen Barken, die den halben Fluss verstellen, den Suzhou, einen Nebenarm des breiten Huangpu. Die Brücke dürfte die Sichuan Road Bridge sein. – Shanghai vor 50 Jahren, die grösste Stadt der Welt.

Man kann mit google earth in Shanghai nicht herumfahren wie anderswo. Aber einige Aussichtspunkte gibt es trotzdem. Angenommen, wir landen am Flussufer, und zwar beim Gewusel der kleinen Häuser: die Barken sind verschwunden, es sieht nach einer Uferpromenade aus:

google earth, Februar 2023

Und stellt man sich heute auf die Sichuan Road Bridge, wird deutlich, was sich in den letzten 50 Jahren getan hat:

Bild: explorest

'Nagelhaus' ist ein einprägsamer Begriff. Ein Haus, das einem grösseren Bauprojekt im Weg steht.

Bild: Reuters

Die Zeiten überschichten sich. Wenn man die Wolkenkratzer wegdenkt, landet man wieder bei Tintin.

Tintin: Le Lotus bleu