Das Grab des Eichhörnchens

Wenn vielleicht einmal die Bagger kommen und das Haus, in dem ich meine Kindheit und Jugend verbracht habe zu einem guten Teil, dieses Haus, wenn es alt ist, abreissen und die Erde umpflügen, dann mag es sein, dass der Baggerführer, wenn er von seiner Maschine steigt und über die feuchte Erde läuft, ein paar kleine Knochen sieht weiss hervorschauen. Und wenn er dann, falls er seiner Neugierde nachgibt, näher herangeht, wird er vielleicht einen grösseren Knochen entdecken, den er als Schädel eines kleinen Tieres erkennt.

Wenn wir einander dann zufällig begegnen würden an jenem Tag, der Baggerführer und ich, vielleicht im Sternen in Rudolfstetten nach Feierabend, und wir kämen ins Gespräch, und er würde mir erzählen, dass er während einer Pause in der aufgewühlten Erde auf den Schädel eines kleinen Tieres gestossen sei, dann würde ich ihn vermutlich fragen, wo es denn gewesen sei, dass er den Schädel fand. Ob hinter dem Haus, nahe der Mauer. Und wenn er, nach einigem Überlegen, dann sagen würde, das könne gut sein, ja, es sei wohl nah an der hinteren Mauer des Hauses gewesen, dann würde ich sagen: dann sei es vermutlich der Schädel des Eichhörnchens. Und ich würde ihm erzählen, dass, gerade in jenen Wintern, immer wieder Eichhörnchen die Stämme der Bäume unseres Gartens hoch- und herunterrannten und auch die Nüsse holten, die wir für sie auslegten, allerdings dann nur, wenn wir ihnen nicht zu nahe kamen. Und ich würde ihm erzählen, dass wir – wer war es genau? – eines Wintertages Anfang 1970 ein solches Eichhörnchen im Garten fanden. Es lag da und bewegte sich nicht, und als wir näher kamen und es berührten, war es schon steif von der Kälte, die das Wetter und der Tod mit sich brachten. Und dass ich es dann, würde ich dem Baggerführer weiter sagen, aufgehoben habe und in eine Schuhschachtel gelegt wie in einen kleinen Sarg. Und ja, vorher noch hätte ich es auf einen niedrigen flachen Strauch gelegt, der zur Erde gedrückt wurde von einem schweren, schon verkrusteten Schnee, auf dem das Eichhörnchen, dem ich noch eine Nuss in die Armbeuge gelegt hatte, fast keine Spur hinterliess, und dort hätte ich es fotografiert.

Der Sarg ist sicher schon lange vermodert, eingebrochen unter der Last der Erde, ihn fände man kaum noch, heute, wenn man danach suchte. Doch die gebleichten Knochen, sie sind wohl noch da.

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(Anfang 1970)