Frühjahr 1972: Wassernot!

Die Lage war schon eine Weile lang heikel:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 2. März 1972

In der Region Mutschellen herrscht im Frühjahr 1972 Wassermangel. Der Verbrauch von Wasser hat "trotz Aufrufes zur Mässigung" weiter zugenommen. Der 'Wasserverband Mutschellen' erlässt deshalb Anfang März eine Reihe von Verboten:

    1. Autos dürfen nicht mehr gewaschen werden
    2. Schwimmbassins nicht mehr gefüllt
    3. der Rasen nicht mehr gespritzt

Das gilt für Berikon, Widen und Rudolfstetten.

Wer sich gewundert haben mag über die Verbote, erhält am 14. März eine Erklärung:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 14. März 1972

Die Gewässer in der Schweiz führen 1971 so wenig Wasser wie seit 1949 nicht mehr, also über 20 Jahre. Die Trockenperiode hat im Dezember 1970 eingesetzt, und seither wartet man auf Wasser. Die Auswirkungen sind weitherum spürbar: die Schweizer Wasserkraftwerke liefern 1971 etwa 10 Prozent weniger Strom als im Jahr zuvor, auf dem Rhein bei Basel können wegen des tiefen Wasserstands weniger Waren verschifft werden.

Zwei Wochen später, am 28. März, macht man sich kurzfristig Hoffnungen – doch umsonst: "Nach vielen Wochen ohne Niederschläge, bangte man vielerorts um die Wasserversorgung. Flüsse und Seen zeigten einen Tiefstand wie seit hundert Jahren nicht mehr. Am Sonntag nun deckte sich der Himmel mit Wolken zu und am Abend fiel spärlich Regen. Am Montag morgen waren die Strassen jedoch bereits wieder trocken (…)"

Anfang April, am 6., heisst es im Bezirksanzeiger: "Die Quellenergiebigkeiten sinken laufend ab und die Grundwasserstände reichen nicht mehr überall aus, um die notwendigen Trink- und Brauchwassermengen zu fördern." Der Aargauer Regierungsrat macht auf die gesetzlichen Bestimmungen aufmerksam. So heisse es in der 'Gesetzgebung über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer des Kantons Aargau': "In Zeiten natürlichen Wassermangels kann der Regierungsrat bestehende Wassernutzungen ohne Entschädigung vorübergehend ganz oder teilweise einstellen und das Wasser unter billiger Abwägung der beteiligten Interessen für andere, dringlichere Bedürfnisse verwenden." Die Regierung ersucht die Bevölkerung und die Betriebe, wo immer möglich Wasser zu sparen.

Aber offenbar passiert das nicht wie gewünscht. Die Gemeinde Rudolfstetten meldet in der Zeitung am 13. April: "Es wurde uns gemeldet, dass über die Ostertage Schwimmbassins aufgefüllt wurden trotz ausdrücklichem Verbot. Die Fehlbaren werden zur Rechenschaft gezogen werden." Eine Woche später weist auch der Gemeinderat von Berikon darauf hin, dass die Verbote immer noch in Kraft seien, und dass "Fehlbare (…) belangt werden."

Der April geht vorbei, der Mai kommt, die Trockenheit bleibt. Rudolfstetten versucht, Wasser von einer Quelle in Friedlisberg dem Wasserwerk der Gemeinde zuzuführen.

Ende Juni heisst es aus Bremgarten: "Das Reservoir ist leer!" Der Bezirksanzeiger vom 30. Juni fährt fort: "In den höher gelegenen Quartieren, zum Beispiel Itenhard, floss gestern seit morgens 7.45 Uhr kein Wasser mehr." Das Josefsheim hat die Bewilligung erteilt, dass Wasser aus der eigenen Quelle ins Netz geführt werden kann. "Die Pumpe ist bei der Firma Rüetschi in Brugg bestellt worden. Inzwischen soll mit zwei Zivilschutzpumpen Wasser ins Leitungsnetz gepumpt werden." Und der Gemeinderat von Bremgarten schaltet eine grosse 'Bekanntmachung':

Bremgarter Bezirksanzeiger, 30. Juni 1972

Anfang Juli ist in Bremgarten offiziell davon die Rede, dass eine "Wassernot" herrsche.

Die Bevölkerung wird unruhig und meldet sich vereinzelt zu Wort, etwa im Bezirksanzeiger vom 6. Juli: "S." beschwert sich, jemand habe trotz Verbot sein Bassin gefüllt: "Das Wasserrauschen schien mir ungewöhnlich. Mit Mühe schaute ich über die Mauer in den Garten, und siehe da, der Hausbesitzer füllte sein Bassin." Der Ärger ist gross: "Ich frage daher die Stadtbehörde an, was tut sie gegen diese Leute mit dickem Portemonnaie? Was nützen Verbote, wenn man keine Kontrollen durchführt?"

Bremgarter Bezirksanzeiger, 6. Juli 1972

Zu jenen, die zu Hause ein Bassin hatten, gehörten auch wir, die Familie Kropf. Wie sah es denn bei uns aus? Meine Mutter war wohl in einem Dilemma: einerseits war es nicht erlaubt – und vielleicht auch nicht möglich? – das Bassin mit dem Wasser der Gemeinde zu füllen. Andererseits wollte sie, dass wir Buben uns sportlich betätigen und im Bassin unsere Runden drehen. Das ging natürlich nicht ohne Wasser. Den Ausweg aus dem Dilemma fand sie schliesslich darin, dass sie das Wasser von auswärts kommen liess. Ein Foto im Album zeigt einen Lastwagen samt Anhänger, der Schlauch führt zweifellos in unser Bassin. Darunter der Kommentar: "Kein Wasser!"