Naturkunde in der ersten Bez

Im Lehrplan Ausgabe 1936, der mit grosser Wahrscheinlichkeit offiziell auch noch für unsere ersten Bezirksschuljahre galt (siehe das Thema 'Lehrplan'), hiess das Fach 'Naturkunde'; im Lehrplan 1972 dann 'Biologie'.

Für mich war das neu damals, in der Bez: diese grossen Hefte, Grösse A4. Vorher waren sie immer kleiner gewesen. Aber wir waren jetzt ja auch gross und hatten Wichtiges zu lernen. Und in der Naturkunde schrieben wir in der ersten Bez in ein grosses Heft. Ziemlich sicher schrieben wir nicht hinein, was uns gerade in den Sinn kam, sondern das, was Herr Saxer vorne an die Wandtafel schrieb und malte. Und ganz am Anfang ging es um eine Pflanze mit einem schönen Namen:

Unter der Überschrift 'Vorkommen' hiess es dann: "Es lebt oft gesellig in feuchten Wiesen." Damals schrieb man noch 'Stengel', die Rechtschreibreform mit dem 'Stängel' lag noch fast 30 Jahre in der Zukunft. Und schon auf Seite 1 gibt es dies und das, was ich heute nicht mehr weiss. Was sind 'unpaarig gefiederte Blätter'? Was genau ist schon wieder der 'Blütenstand'? Zum Glück kommt die Erklärung gleich auf der zweiten Seite: Eine Gruppe von Einzelblüten, die gehäuft nebeneinander stehen, "nennt man Blütenstand."

Anhand des Wiesenschaumkrautes und einer entsprechenden Zeichnung wurden 'Blütenstil', 'Kelchblätter', 'Kronblätter', 'Staubblätter', der 'Stempel' mit 'Fruchtknoten', 'Griffel' und 'Narbe' sowie die 'Nektarien' eingeführt. Ein Längsschnitt und ein 'Blütendiagramm' halfen, sich das vorzustellen.

Und weil die 4 Kronblätter "kreuzweise gestellt" sind, gehört das Wiesenschaumkraut zu den 'Kreuzblütlern'.

Vielleicht haben wir sogar gestaunt, als wir dann erfuhren, dass auch der Wildkohl und das Kohlrabi zu den Kreuzblütlern gehören. Und der Rosenkohl und der Weisskohl, der auch Weisskabis genannt wird, und aus dem man Sauerkraut macht. Und auch der Blumenkohl, zu dem es im Heft heisst: "Würde man eine Blumenkohlpflanze bis zum Herbst stehenlassen, so würden sich Blüten und Samen bilden."

Das nächste grosse Kapitel: "Bestäubung und Befruchtung" . Beides sind "Teilvorgänge der Fortpflanzung" .

Und die Fortpflanzung ist dann bereits das nächste Kapitel. Stichworte hier: Die 'ungeschlechtliche Fortpflanzung', durch einzelne Sporen oder "durch selbständige Entwicklung von Pflanzenteilen wie Knollen, Zwiebeln…u.v.a."; die 'geschlechtliche Fortpflanzung' mit den 'Geschlechtsorganen', wobei die Blütenpflanzen "ihre Geschlechtsorgane in den Blüten" haben ('Staubblätter', 'Staubbeutelfächer', 'Pollenkörner', 'Samenanlagen', 'Fruchtschuppe', 'Fruchtknoten', 'Eizelle', …).

Der Roggen

Der Halm des Roggens kann ja schnell einmal knicken, so dünn und lang ist er. Das weiss auch die Natur, und sie weiss, was dann zu tun ist: "Ein geknickter Halm richtet sich wieder auf, weil der am Boden liegende Knoten auf der Unterseite schneller wächst als an der Oberseite." Das kann ich mir jetzt nicht genau vorstellen, aber es wird so sein.

Die 'Ähre' ist der Blütenstand, und die 'Achse', welche die Blüte trägt, heisst 'Ährenspindel'. "Sie ist treppenartig gebaut. Auf jedem Treppenabsatz sitzt ein Ährchen." Daneben: 'Deckspelze', 'Granne', 'Vorspelze', 'Fiedernarben'…

Die Wicke – Ein Schmetterlingsblütler

Hier im Heft ein Hinweis darauf, dass wir Blumen gepresst und getrocknet haben:

"Die Kronblätter: Oben in der Blüte steht die grosse lockende Fahne. Rechts und links finden sich die langen Flügel, unten das zweiblättrige Schiffchen." Und weil der Griffel unterhalb der Narbe stark behaart ist, heisst dieser Teil entsprechend 'Griffelbürste'.

Die Schmetterlingsblütler nennt mach auch 'Hülsenfrüchtler' – und schon sind wir bei Bohnen, Erbsen, Linsen, Kefen (oder Kiefelerbsen) und den Erdnüsschen. Und der Sojabohne, "aus der schon künstliches Fleisch gemacht wird."

Die Sonnenblume – ein Korbblütler

'Blütenstand' und 'Blütenboden', 'Randblüten' und 'Scheibenblüten', 'Zungenblüten' und 'Röhrenblüten', 'Kelchborsten', 'Kronröhre', 'Kronzipfel'. All das und noch viel mehr im Kapitel zur Sonnenblume.

Bis hierher war es Ende August geworden. Dann schaute sich Lehrer Saxer die Hefte an, setzte einen Kommentar darunter und einen Stempel: 2. September 1969.

Das Blatt

Die vier verschiedenen Zellschichten mit ihren Aufgaben: Die 'Oberhaut' als Schutzschicht; das 'Palisadengewebe' zur Zuckerherstellung, das 'Schwammgewebe' ebenfalls zur Zuckerherstellung und zur Durchlüftung, und schliesslich die 'Unterhaut' mit ihren Spaltöffnungen als Schutzschicht.

"Im Blatt vollzieht sich der bedeutsamste Vorgang in der Natur: mit Hilfe des Sonnenlichtes bildet die Pflanze in den Blattgrünkörnern aus Wasser und aus dem Kohlendioxid der Luft neue Stoffe: Zucker, Stärke, Eiweiss, Fette, Vitamine etc." – "…die Grundlage allen Lebens auf Erden."

Die Eigenschaften von Kohlendioxid

Ein unsichtbares Gas, erstickt die Flamme, trübt Kalkwasser. Es ist in der Atemluft von Mensch und Tier, löst sich in Wasser auf und ist schwerer als Luft. Dann ein Ausflug in die Chemie: "Kohlendioxid ist eine chemische Verbindung aus 1 Kohlenstoffatom und 2 Sauerstoffatomen" . Und wie weist man Kohlendioxid nach? Indem man das fragliche Gas mit Magnesium zusammentut, woraus sich Kohlenstoff (schwarz) und Magnesiumoxid (Magnesia: weiss) bildet!

In der Folge haben wir uns mit der Frage befasst, wie sich die Pflanzen auf den Winter vorbereiten, wenn sie weniger Licht und weniger Wärme erhalten. Und mit der Frage, weshalb die Wälder im Herbst bunt werden: "Im Herbst werden die wertvollen Baustoffe des Blattgrüns in den Stamm zurückgezogen, so dass die Blätter gelb erscheinen." Manchmal tritt auch in manchen Blättern ein roter Farbstoff auf, der sich mit dem Gelb mischt. Und schliesslich: "Das Braun ist eine Erscheinung des Absterbens der Blätter, bei der wasserlösliche braune Farbstoffe auftreten." Dann fallen die Blätter, damit die Bäume nicht verdursten, wenn die Wurzeln in der kalten Jahreszeit nur noch wenig Wasser aufnehmen können.

Und wie löst sich der Blattstiel vom Zweig? Gute Frage, nicht? "Es bildet sich vor dem Blattfall zwischen Blattstiel und Zweig eine Trennungsschicht, die ein Ablösen des Blattes durch den Wind oder sogar durch das eigene Gewicht ermöglicht. Die Blattnarbe am Zweig wird durch eine Korkschicht abgeschlossen."

Um den Jahreswechsel 1969/70 waren wir sicher auch in der Lage, den Haselstrauch von der Weide zu unterscheiden – in jeder Beziehung: ein- oder zweihäusig, Blütenstaub trocken oder feucht, Blüten mit oder ohne Nektar, Form der Narben, Form der Kätzchen, Art und Verbreitung der Samen…

Es ging wohl bereits gegen den Frühling, als wir uns das Schneeglöcklein genauer anschauten.

Das Schneeglöcklein: Ein 'Narzissengewächs', das im Gegensatz zu den 'Liliengewächsen' einen Fruchtknoten hat, der 'unterständig' ist und dessen Blüte "teilweise von zwei Hochblättern umschlossen" .

Vielleicht war hier das Schuljahr zu Ende. Im Heft geht es zwar weiter, aber mit einem völlig neuen Thema: der ZOOLOGIE.