1. Juni 1972, Mai, Donnerstag: Die Töfflibuebe in der Promenade

Nie! Nie hätte meine Mutter uns Buben erlaubt, ein Töffli zu fahren. Viel zu gefährlich! Wir konnten schon froh sein, ein Velo zu haben und damit auf der kaum befahrenen Strasse in der Umgebung des Hauses herumfahren zu dürfen. Dass sie uns damit von der Gemeinde der Töfflibuebe ausschloss: das nahm sie in Kauf. Hätte sie am 6. Juni 1972 die Zeitung gelesen, sie hätte sich in ihrem Handeln bestärkt gefühlt.

Bremgarter Bezirksanzeiger, 6. Juni 1972

Da berichtet ein -t von allerlei Unfug und schliesst einigermassen empört: "Jugendlicher Uebermut in Ehren, aber das geht zu weit." Und zu weit ging -t unter anderem, "dass nunmehr auch die 'Töfflifahrer' durch die obere und mittlere Promenade ihren Einzug halten und damit die Spaziergänger gefährden."

Töffli waren in. Im vergangenen Jahr hatte sogar die 'Antenne' des Schweizer Fernsehens über die neue Mode berichtet:

Link zum Beitrag: Antenne, 15.9.1971

Im Beitrag kommt auch ein "Psychoanalytiker Dr. Grüter" zu Wort, der erläutert, weshalb Töffli so attraktiv seien. Sie gäben nämlich "emene Pubertierende t Möglichkeit, di ufgstaute Bewegigsdräng uf en individuelli Art uszläbe." Na also, ist doch gut?!

Auch in der Werbung ist nichts Anrüchiges zu finden:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 31. Mai 1972

"Elegant – sauber – leise". Allerdings: waren das die Eigenschaften, die die Töfflibuebe suchten? Im Antenne-Beitrag sagt einer auf die Frage, wie ein gutes Töffli sein sollte: wichtig sei, "das es guet usgseht, schnäll lauft und das es en rächte Ton hät." Und mit 'rächte Ton' war nicht 'leise' gemeint. Und schnell waren sie auch nicht: höchstens 30, im Originalzustand. Also, was macht ein rechter Töfflibueb? Er 'frisiert' sein Töffli. Er macht es schnell und laut.

Ein Töffli frisieren war eine Wissenschaft für sich, die mir verschlossen blieb. Wie gesagt, ein Töffli war ausserhalb des Möglichen. Jene aber, die eines hatten, ersetzten dies und veränderten das und feilten und schraubten, bis das Töffli so war, wie es sein sollte: schnell und laut. Erst dann machte es in der Promenade den gewünschten Eindruck.

Wenn damals heute wäre, würden die Töfflibuebe mit grossen Kopfhörern in der Gegend herumfahren und beim Fahren Musik hören. Und was würden sie hören, wenn sie Kopfhörer hätten? Vielleicht Back Off Boogaloo von Ringo Starr, der sich in jenen Wochen durch die Hitparade schlich. Aber damals gab es solche Kopfhörer nicht, und so hörten sie nicht Ringo Starr, sondern nur den wunderbaren Sound ihrer Maschinen.

Link zur Musik

PS: Neben den Ciao und den Puch und anderen gab es noch die Version light, sozusagen: das Velosolex. Eigentlich ein absolutes Kultgefährt. Aber mit dem war normalerweise kein Staat zu machen. Röbi erzählte einmal, er habe in der Pfadi, wo man allen einen Übernamen gibt, den Übernamen 'Velosolex' bekommen. Wie das gekommen ist, weiss ich allerdings nicht mehr.