2. April 1973, Montag: Die Geschichte mit dem alten Kadetten-Säbel

Vor einiger Zeit rief mich Claudia an: Sie habe alle Schränke und Kisten und Koffer durchsucht, sie müsse jetzt endlich mal aufräumen. Sie habe dabei auch noch tonnenweise Sachen gefunden, die Röbi gehört hätten. Wenn ich wolle, könne ich mal vorbeikommen und schauen, ob ich noch etwas retten möchte. Den Rest werde sie anderweitig verschenken oder wegwerfen.

Es war in der Tat noch einiges da, was Röbi hinterlassen hatte. Einiges kam mir bekannt vor: Dinge, die den Weg aus der Fremde hierher gefunden hatten. Anderes sagte mir nichts. Doch etwas – etwas stach mir sofort ins Auge: ein alter, halb verrosteter Säbel. Der Säbel! Der Kadetten-Säbel aus dem Estrich. Flash.

Den könne ich gleich mitnehmen, wenn ich ihn wolle, meinte Claudia. Ja, gern. Aber etwas einpacken müssen wir ihn noch, sonst fällt er auf im Tram.

Zuhause der Griff zum Tagebuch. Ja, da ist die Stelle: Wir sind zu dritt in Bremgarten an diesem ersten Montag im April, essen dort und gehen anschliessend in den Estrich hinauf, stöbern dort herum. Als Andenken nimmt Röbi den Säbel mit "und steckte diesen in sein Hosenbein. Als wir wieder hinausgegangen waren und bei Steimens Zimmer anlangten, trafen wir Beni [Rektor Knecht]. Ich sah schwarz für Müli. Aber er verlor die Nerven nicht. Kühn gingen wir auf Beni zu und fragten ihn, ob wir die Noten der Abschlussprüfung haben könnten. Er ging sie in sein Zimmer holen, während Röbi in die Toilette im ersten Stock rannte, den Säbel in einer Kabine einschloss, oben hinauskletterte und wiederkam. Wir unterhielten uns mit Beni, dann wollte Müli den Säbel holen. Als er ihn bereits eingesteckt hatte und zur Tür hinaustrat, stiess er auf Caduff. Er entschuldigte sich, eilte zurück und deponierte den Säbel wieder in der Kabine, nachher sprach er mit Caduff."

Es gab einmal eine Zeit, da trugen die Buben im Kadettenunterricht Uniformen, paradierten mit dem Säbel an der Seite und gingen schiessen. Überreste dieser Zeit lagerten über unseren Köpfen, als wir uns ein zwei Stockwerke tiefer in unseren Schulbänken über die Savannen Afrikas und den Satz des Pythagoras und die Schützengräben von Verdun beugten. Kein Lehrer hat uns davon erzählt. Dass die Geschichte so nah war und so greifbar: keine Ahnung. Bis wir kurz vor dem Ende unserer Zeit in Bremgarten auf Entdeckungsreise gingen.