Wo wir wohnten

Manche von uns konnten sich fast auf den Schulweg machen, wenn die Glocke läutete, so nahe wohnten sie beim Schulhaus. Andere kamen von weit weg, mussten den Bus oder den Zug nehmen.

Wo wir wohnten, das wussten wir voneinander – mehr oder weniger. Teilweise hatten wir ja den gleichen Schulweg. Aber wo genau?

In der Schulchronik hatte Rektor Bundi neben unseren Namen auch den Wohnort und den Vornamen des Vaters eingetragen. Mit diesen Angaben bin ich neulich nach Köniz gefahren, einen Vorort von Bern. Gleich beim Bahnhof: verschiedenste Industriegebäude. Und in einem davon – man sieht es ihm nicht an, und angeschrieben ist es auch nicht gross: ein Schatz aus alten Zeiten. Der Schatz der PTT. PTT?

Ja, die PTT: 'Schweizerische Post-, Telephon- und Telegraphen-Betriebe'! Die PTT existierten bis Ende 1997, dann wurden daraus die 'Post' und die 'Swisscom'. An jeder zweiten Ecke stand lange Zeit eine Telefonkabine – war ja logisch, solange es keine Mobiltelefone gab.

(Der 'Telefonhörer' in einer Telefonkabine war mit einem Kabel an einem Kasten befestigt und im Ruhezustand an einer beweglichen 'Gabel' aufgehängt, die seitlich am Kasten montiert war. Ausserdem hatte der Kasten vorne einen Schlitz, wo man Münz fürs Telefonieren einwerfen musste, und eine Wählscheibe zum Einstellen der Nummer. Aus dem Kasten und der Telefonkabine führte eine oft sehr lange 'Leitung' zu einem anderen Telefonapparat mit einem andern Telefonhörer weit weg, und dort läutete es, wenn jemand anläutete, man konnte den Hörer 'abnehmen' und miteinander schwatzen.)

In diesen Telefonkabinen – oder jedenfalls in den allermeisten – roch es nach abgestandenem kaltem Zigarettenrauch. Und an der Wand, fest montiert: eine Reihe von Telefonbüchern. Der Kippmechanismus erlaubte es, den gewünschten Band hochzukippen, worauf das Buch aufklappte und seine gesamten Daten freigab! Dicke Bücher voller Namen, Adressen, Telefonnummern.

Und eben: diese vielen Telefonbücher, voller Namen, Adressen und Telefonnummern, die lagern nun in einem unauffälligen Industriebau in der Agglomeration von Bern.

Man kann nicht einfach hingehen und dort etwas suchen. Aber man kann sich anmelden. Dann werden einem die gewünschten Telefonbücher im Leseraum bereitgelegt. Ein grosser Andrang zum PTT-Archiv herrscht nicht – man wird jedenfalls bereits beim ersten Besuch sehr freundlich und mit Namen begrüsst. Und dann mit den Büchern in Ruhe gelassen.

Ich habe mir die Bände der Jahre 1969/70 und 1973/4 geben lassen: Beginn und Ende der Zeit an der Bezirksschule. Einige von uns sind während der Bez umgezogen.

Die meisten Adressen der Klasse waren verzeichnet. Vermutlich galt damals noch der Grundsatz: wer ein Telefon hat, ist auch im Telefonbuch. Wobei: Verzeichnet waren die Nummer und das dazugehörige 'Familienoberhaupt'. Aber dazu vielleicht ein ander Mal.

Und noch ein Stolperstein: Die Häuser von 1969 mochten 1973 noch die gleichen sein; die Strassen und Wege waren in der Zwischenzeit aber da und dort umbenannt worden – und seit 1973 da und dort erneut.

Wie auch immer: ich habe versucht, die Adressen auf einer Karte von 1970 einzutragen. Das sieht dann so aus:

Mit einem Klick kann man von Swisstopo zu Google wechseln. Und dort ist es dann fast, wie wenn man aus dem Luftballon auf unsere Wohnorte niederschaute.

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