10. Dezember 1972, Sonntag: Von Rudolfstetten nach Zürich

Im Frühjahr 1970 war mein Vater gestorben. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen, hatte Ende 1965 einen Hirnschlag erlitten und starb an dessen Folgen einen Tag nach seinem 68. Geburtstag.

Im Oktober 1972 war meine Grossmutter gestorben. Sie war die einzige der Grosselterngeneration, die ich kennengelernt hatte, und sie hatte in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass im Haus in Rudolfstetten alles läuft. Sie starb an Brustkrebs im Alter von 73 Jahren.

Warum ich das erwähne? Vater und Grossmutter waren für die Familie wichtig gewesen, ihr Tod hatte sich abgezeichnet und damit auch, dass das grosse Haus in Rudolfstetten bald nicht mehr der 'richtige' Ort für uns sein würde. Und jetzt, in diesem Spätherbst 72, verlassen wir das Haus in Rudolfstetten und ziehen nach Zürich.

Rudolfstetten, was blieb von der Baumhütte. 1972

Tagebuch: "Mit den Eltern B. räumten wir noch das ganze Haus und fuhren dann nach Zürich. Ich bekam mein Zimmer zum erstenmal zu Gesicht." Ich notiere mir die neue Adresse, die neue Telefonnummer: 01 – 56 07 60.

Wir wohnen jetzt nicht mehr in einem Haus auf dem Land, sondern in einer Wohnung in der Stadt. "Wir haben Sicht auf die Stadt Zürich vorn, und hinten auf einen Hang." Der Hang war damals noch Wiese, heute ist er überbaut.

Was musste unsere Mutter unternehmen, damit die beiden Söhne das Schuljahr noch in Bremgarten zu Ende bringen konnten? Ich weiss es nicht, aber ohne Gang zu den Ämtern war interkantonaler Schulbesuch damals nicht möglich, wie er es auch heute nicht ist. Doch es ging.

Von heute an ist auch unser Schulweg länger – viel länger. Anfänglich bringt uns unsere Mutter am Morgen, wenn es pressiert, zur BDB-Station Reppischhof. Über Mittag essen wir auswärts, manchmal im Sternen in Rudolfstetten bei Anni Wiederkehr oder zuhause bei Klassenkameraden. Gegen Ende des Schuljahres kommt es dann öfters vor, dass wir, ein paar aus der Klasse, in einem Laden etwas kaufen gehen und uns einen Ort suchen, wo wir am Schärmen essen können.