14. Juli 1972: Wer baut die Bezirksschule auf dem Mutschellen?

Wären wir ein paar Jahre jünger – wir hätten uns nie kennengelernt. Ein Teil von uns wäre in Bremgarten in die Bez, ein Teil auf dem Mutschellen.

Die Sitzung war auf 8 Uhr morgens anberaumt. Ort: Berikon, Restaurant Stalden. Aber nicht im Restaurant, sondern in einem Sitzungssaal.

Die Anwesenden hatten darüber zu entscheiden, wie die geplante Bezirksschule auf dem Mutschellen aussehen sollte. Oder genauer: wer den Architekturwettbewerb gewinnen und die Schule damit bauen sollte.

Und jetzt sassen sie da, um sich über die beiden letzten Projekte zu beugen, die im Rennen geblieben waren. 23 Personen, alle mit je eigener Funktion, Abgesandte der vier Gemeinden, die die Schule bauen wollten: Berikon, Widen, Oberwil und Rudolfstetten. Ich stelle mir vor, wie sie in diesem Saal im Stalden sassen:

Vorne vier Mitglieder des Verbandsvorstands:

    • Josef Bütler, der Präsident des Verbandsvorstands, langjähriger Gemeindeammann von Berikon
    • Robert Wiederkehr, der Vizepräsident, Gemeinderat von Rudolfstetten
    • Kurt Haller, Gemeinderat von Widen
    • Ernst Schaadt, Gemeinderat von Oberwil

Neben ihnen an einem Tisch drei Fachleute, die man beigezogen hatte:

    • Theo Hotz, Architekt aus Zürich
    • Hans Rusterholz, Architekt aus Brugg
    • Rudolf Lienhard, der aargauische Kantonsbaumeister

Aus der Baukommission waren delegiert worden:

    • Hansjakob Hösli, Widen
    • Adolf Krämer, Rudolfstetten

Dann sassen da aus den vier Gemeinden je zwei Vertreter der Verbandsversammlung:

    • Max Ackermann, Berikon
    • Emil Tschudi, Berikon
    • Harald Beck, Rudolfstetten
    • Walter Hauser, Rudolfstetten
    • Robert Kuhn, Oberwil
    • Theo Emmenegger, Oberwil
    • Florian Studer, Widen
    • Werner Horisberger, Widen

Und schliesslich 6 Vertreter der Verbandschulpflege: je eine Person aus den vier Gemeinden – und zwei Lehrer der Bezirksschule Bremgarten!

    • Armin Zuckschwert, Berikon
    • Josef Brem, Oberwil
    • Hanna Kropf, Rudolfstetten
    • Hans Sigg, Widen
    • Bernhard Knecht, Bezirkslehrer
    • Werner Keller, Bezirkslehrer

Der Vater von Alfi und meine Mutter mit unseren beiden Lehrern am gleichen Tisch! (Übrigens: Es hätte durchaus auch sein können, dass gar keine Frau im Entscheid-Gremium sitzt. Vielleicht war die Logik ja sogar die, dass meine Mutter als Witwe die Stelle eines Mannes ausfüllen konnte. Sie bekam ja schliesslich manchmal auch Post, adressiert an 'Herrn Johanna Kropf'…) Und am Vorstandstisch sass auch noch der Vater von Pia. Und wäre die Baukommission vollständig und nicht nur mit einer Delegation anwesend gewesen, so hätte auch der Vater von Anita teilgenommen.

Man kannte sich schon, von früheren Sitzungen, und konnte deshalb bald einmal an die Arbeit gehen. Nach der kurzen Vorstellung der beiden Projekte, die zuletzt im Rennen geblieben waren, gaben die drei Fachleute ihre Einschätzung zu sämtlichen 19 Kriterien ab und anschliessend ein Gesamturteil zu beiden Projekten. Dann war die Reihe an den 20 andern Personen, jedes Kriterium einzeln durchzugehen – und schliesslich die Schlussabstimmung vorzunehmen. Die drei Fachleute waren dabei nicht stimmberechtigt. Interessant ist, dass die Jury nicht dem Urteil der Fachleute folgte, sondern sich mit 19 zu einer Stimme für das andere Projekt aussprach, jenem des Architekturbüros Burkard, Meyer, Steiger aus Baden.

Um 16 Uhr ging man auseinander – und hat den Entscheid nach so langer Vorarbeit hoffentlich gefeiert.

Am 3. Dezember 1972 stimmten die Stimmberechtigten der vier Gemeinden dem Kredit für den Bau der neuen Schule zu, und im April 1975 zogen die ersten SchülerInnen und LehrerInnen in die neuen Räume auf dem Mutschellen.

 

Die Vorgeschichte

Die Idee, auf dem Mutschellen eine Bezirksschule zu bauen, geht auf das Jahr 1962 zurück. Kurt Haller, der Anfang der 70er-Jahre massgeblich am Projekt beteiligt war, schildert die Geschichte des Projekts bis zur Entscheidung im Bremgarter Bezirksanzeiger im Frühling und Sommer 1972 ausführlich[1]. Hier ein paar Etappen:

    • 1962: Erste Überlegungen zu einer Kreisschule auf dem Mutschellen.
    • 1965: Die Erziehungsdirektion des Kantons Aargau beauftragt die Schulpflege Bremgarten, zusammen mit dem Bezirksschulrat "die Notwendigkeit einer zweiten Bezirksschule im Einzugsgebiet Bremgarten zu studieren." Die entsprechende Kommission evaluiert drei Standorte: das 'Bühlfeld' in Berikon, das 'Schachenfeld' in Widen und das Gebiet 'Isleren' in Rudolfstetten.
Bremgarter Bezirksanzeiger, 4. Mai 1972
    • 31.10.1968: Der Aargauer Regierungsrat genehmigt den Vorschlag der Projektgruppe zugunsten des Standorts Berikon.
    • 26.2.1969: Die Gemeinden Berikon, Oberwil, Rudolfstetten und Widen gründen den 'Zweckverband Kreisbezirksschule Mutschellen' mit eigenen Statuten und Organen.
    • 30.7.1971: Die Teilnehmer am Architektur-Wettbewerb müssen ihre Pläne abgegeben haben. Es gehen 11 Projekte ein.
    • 18.8.1971 (8 Uhr bis 19 Uhr 30) und 24.8.1971 (14 Uhr bis 24 Uhr!): Sitzungen des 23-köpfigen Beurteilungsgremiums. 5 Projekte werden ausgewählt, die ihre Pläne jetzt noch konkretisieren sollen.
    • 14.1.1972: Abgabetermin für die überarbeiteten Projekte.
    • 18.1.1972 (8 Uhr bis 22 Uhr): Sitzung des Beurteilungsgremiums. Es bleiben zwei Projekte im Rennen: jene von Burkard, Meyer, Steiger aus Baden und von Bader und Dinkel aus Solothurn/Niederrohrdorf. Die beiden Projekte müssen bis Mitte Juni 72 nochmals überarbeitet werden.
    • 14.7.1972: Wahl des Projekts, das realisiert werden soll.

 

PS: Die Sitzungen der Kreisbezirksschulpflege dauerten üblicherweise eine ganze Weile. Die Mitglieder nahmen daran nicht ganz, aber ziemlich ehrenamtlich teil. Meine Mutter erhielt für die Jahre 1970 und 1971 – weitere Belege haben sich nicht erhalten – insgesamt 160 Franken überwiesen. Anfang 1973 gab sie ihren Austritt aus der Kreisbezirksschulpflege, nachdem wir von Rudolfstetten nach Zürich gezügelt waren.

[1] Ich stütze mich hier auf die Berichterstattung von Kurt Haller im Bremgarter Bezirksanzeiger zwischen dem 20. April und dem 27. Juli 1972. Haller war damals Gemeinderat in Widen und Vizepräsident des Vorstands des Zweckverbands 'Kreisbezirksschule Mutschellen'.