19. November 1972, Sonntag: Tagebuch

Weshalb schreibt man ein Tagebuch? Die US-Autorin Joan Didion schrieb einmal: "Der Sinn, ein Notizbuch zu besitzen, bestand nie darin, exakt festzuhalten, was ich tatsächlich getan oder gedacht habe", sondern vielmehr: "Sich erinnern, wie es war, ich zu sein: Darin liegt der Sinn."

Was habe ich mir gedacht, als ich an jenem Sonntag dieses schwarze, fast quadratische Buch aufschlug und zu schreiben begann? Hatte ich es mir selbst gekauft oder geschenkt bekommen, und wenn Letzteres: von wem? Dass es mir wertvoll werden würde, darauf lässt schliessen, dass es ein kleines Schloss hat, mit dem man den Inhalt vor dem Blick anderer schützen konnte.

Keine Ausführungen über Sinn und Zweck des Schreibens, kein Intro. Es geht einfach los. "Rudolfstetten, Sonntag, den 19.11.72. Ich liege bereits im Bett. Der Wecker zeigt 22 Uhr 15." Blaue Tinte, was denn sonst. Und ein paar Ausführungen darüber, dass der Tag gefüllt gewesen sei von zweierlei: Lateinwörter lernen für die Prüfung am andern Tag und dann "den zweiten Entwurf anfertigen für unsere 'Aktion Jung hilft alt'. Dieser brachte mich fast zur Verzweiflung. Wenig fehlte und ich hätte den ganzen Plunder in eine Ecke geschmissen und mich neben einer Platte ausgeruht." Aber es ging dann doch. Freude und Genugtuung.

Bis zum Ende der Bez Anfang April sind es noch gut vier Monate. Bis dahin gibt es für bezzeit, dieses nachgetragene Tagebuch, noch eine andere Quelle: ein echtes Tagebuch, von damals.