25. November 1970, Mittwoch: Beginn der Volkszählung

"Vermutlich erhalten Sie bereits heute Mittwoch einen unerwarteten Besuch des Volkszählers. Empfangen Sie ihn bitte freundlich; er wird Ihnen zu danken wissen, denn seine Zählarbeit ist nicht leicht."

So steht es in der NZZ vom 25. November. Und der Volkszähler, einer von etwa 35'000 im ganzen Land, kam dann auch. Ich seh ihn zwar nicht mehr vor mir, aber dass er nicht gekommen sein sollte, ist eigentlich undenkbar. Er brachte die Fragebögen, und weil zum Ausfüllen ein Bleistift nötig war, lieferte er diesen gleich mit. Und nach dem Stichdatum, dem 1. Dezember, holte er die Bögen wieder ab.

Das Unterfangen Volkszählung hatte bereits viel früher begonnen. Spätestens, als ab Mitte September Briefe und Postkarten mit der neuen Sondermarke verschickt wurden und bei Poststellen Werbeflaggen wehten, war die Volkszählung für das breite Publikum sichtbar.

Sondermarke zur Volkszählung 1970

Auch in den Schulen sprach man darüber. Die LehrerInnen waren angehalten, mit ihren Klassen Kopien der Fragebögen auszufüllen, damit man zu Hause mithelfen konnte. Wer hat das mit uns getan? Der Klassenlehrer, Kurt Steimen, im Singunterricht? Oder doch eher ein Lehrer, bei dem wir mehr Stunden hatten, Caduff etwa? Jedenfalls: Wir haben solche Fragebögen probehalber ausgefüllt, sonst hätte sich in meinem Bez-Krimskrams kein solcher Bogen gefunden. Zwei Seiten.

Am Mittwoch, dem 25. November ging's also los, der offizielle Stichtag war der folgende Dienstag, der 1. Dezember. Und weil man in Bern beim statistischen Amt offenbar damit rechnete, dass womöglich nicht alles reibungslos funktionieren würde, liess es über die Schweizerische Depeschenagentur ausrichten, dass sich an die zuständige Stelle bei der Gemeinde wenden solle, wer bis Montag die notwendigen Unterlagen nicht erhalten habe. Und übrigens: "Beim Ausfüllen der Fragebogen kann ein beliebiger weicher Bleistift verwendet werden. Es ist also nicht nötig, den ausgeteilten Bleistift zu verwenden; es handelt sich bei diesem auch nicht um einen speziellen Computerstift."

Es war nicht das erste Mal, dass ein 'Computer' die Fragebögen auswertete, das war schon bei der letzten Zahlung, 1960, so gewesen. Aber die Zeit war seit damals nicht stehen geblieben, und nun stand eine sehr viel leistungsfähigere Anlage zur Datenverarbeitung zur Verfügung.

Auch die Fragen waren erweitert worden. Neu waren etwa die Fragen, wo man vor 5 Jahren gewohnt hatte und wo vor einem Jahr. Das sollte, folgt man einem langen Bericht in der NZZ vom 28. Oktober 1970, Aufschluss über die "Binnenwanderung" geben.

Aber die beiden Seiten, die wir in der Bez probehalber ausfüllten, waren nicht alles. Der "Haushaltvorstand" hatte eine "Wohnungskarte" auszufüllen, natürlich wiederum mit dem Bleistift. Da ging es um die Besitzverhältnisse der Wohnung und um den Mietpreis, aber auch darum, ob mit Holz, Kohle, Elektrisch oder Gas gekocht wurde, ob die Toilette eine Wasserspülung hatte oder nicht, und ob ein Kühlschrank und / oder eine "Tiefkühltruhe (Tiefkühlschrank, Boxe)" vorhanden war.

Und schliesslich war auch noch eine "Gebäudekarte" auszufüllen: Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus? Personenlift? Und ob das Gebäude an die Kanalisation angeschlossen ist oder nicht. Es ist schon so: aus den Fragen, die gestellt werden, kann man etwa abschätzen, wann sie gestellt wurden.

Und dann kam der 1. Dezember, und als er gegangen war, kam der Volkszähler wieder, wohl der gleiche, der die Fragebögen gebracht hatte, und holte sie wieder ab.

Einige der Daten mussten sehr schnell ausgewertet werden: Bereits in der Juni-Session 1971 mussten die Eidgenössischen Räte festlegen, wie sich die Volkszählung auf die Verteilung der Sitze der Kantone im Nationalrat auswirken sollte. Im Herbst 1971 wurde gewählt. Der Rest pressierte nicht so sehr: die weiteren Auswertungen sollten – geschätzt – innerhalb von dreieinhalb Jahren abgeschlossen sein.

Die erste Volkszählung in der Schweiz gab's 1850, dann alle zehn Jahre, bis zum Jahr 2000. Dann kamen keine Volkszähler mehr in die Häuser. Seit 2010 werden die Daten jährlich aktualisiert, die Daten kommen primär aus den Einwohnerregistern, und nur noch etwa fünf Prozent der Bevölkerung wird schriftlich oder telefonisch befragt.