Deutsch in der zweiten Bez

Der "verbindliche Lehrstoff" , wie er im 'Lehrplan für Bezirksschulen' von 1972 formuliert ist, liest sich recht abstrakt:

Was für Spuren davon finden sich davon im 'Übungsheft' der 2b? Dreierlei: Diktate, Grammatik und Literarisches.

Diktate

Die Intensität, mit der wir in der ersten Klasse Diktate geschrieben hatten, hat nachgelassen: nur noch fünf finden sich, zwischen dem 5. Mai 1970 und dem 5. Januar 1971. Vielleicht habe ich das eine oder andere verpasst. Lehrer Caduff hat weiterhin auf das 'kollegiale Korrigieren' gesetzt: Edith, Karin, Denise, Margrith und Brigitte strichen mir meine Fehler an, Caduff setzte nur noch die Note. Nach dem ersten Diktat steht eine "Verbesserung" – dreimal das Wort richtig schreiben –, später dann nicht mehr.

Thematisch nehmen die Diktate meist sprachliche Finessen auf, die wir wohl grade behandelten:

"Wenn du bisweilen nichts Besonderes zu tun hast, dann ist es bei weitem am zweckmässigsten, ein bisschen ein gutes und lehrreiches Buch zur Hand zu nehmen." (5.5.1970)

"Die wochentags zu Markt Ziehenden bringen die Erzeugnisse des Landgebietes in die Stadt; die dort Kaufenden erhalten daher frische Waren, das Zuletztverkaufte ist gewöhnlich etwas billiger." (Ohne Datum)

"Solch einen nahrhaften Bissen wollen sie sich nicht entgehen lassen, und der Hahn ist es, der sie dazu bringt, gierig das Dargebotene hinunterzuschlingen und auf den Faden nicht achtzugeben." (Ohne Datum)

"Welche Angst, welche Besorgnis packte die Athener, als sich die Kunde, Feinde ständen unweit Athens, wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitete! Andererseits welch einmütige, heldenhafte Begeisterung, Abwehr und Widerstand zu wagen bis zum Äussersten." (5.1.1971)

Grammatik

In der ersten Klasse hatten die Wortarten im Zentrum gestanden. Wir hatten sie aber noch nicht alle behandelt – und das war auch durchaus ok, wenn man sich den Lehrplan anschaut. Jedenfalls kam bald nach Beginn der zweiten Klasse die Präposition an die Reihe: "Mit dem Hute in der Hand, kommt man durch das ganze Land." "Die Präposition: schafft eine Beziehung zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Sache oder Sache und Sache." Die anschliessende Übung im Heft muss eine 'Leerstellenübung' gewesen sein: vorgegebene Sätze, in denen einzig die Präpositionen fehlen; und dazu war der passende Fall zu bestimmen.

Die Konjunktion (das Bindewort) "hat die Aufgabe, Wörter, Satzteile und Sätze zu verbinden". Definition und Unterteilung in "beiordnende und unterordnende, ein- und zweigliedrige Konjunktionen." – Und das wars dann auch schon, mindestens im Heft.

Dann kam der Wechsel. Nach den Wortarten waren nun die Satzglieder an der Reihe.

Ich weiss es nicht mehr, aber ich kann mir vorstellen, dass der folgende Satz mir nicht so einfach in den Kopf ging: "Das Prädikat (die Satzaussage) ist immer ein Verb, deshalb beginnt man stets nach dem Prädikat zu suchen. Es gibt mir Auskunft über die Handlung." Wenn das Prädikat immer ein Verb ist – weshalb muss es dann 'Prädikat' heissen? Könnte man nicht einfach nur 'Verb' sagen? Als wir später über "Eine besondere Form des Prädikates" sprachen, der Kombination von 'Kopula und Prädikativ', löste sich das Unbehagen wohl teilweise auf – dafür stimmte die Definition nicht mehr: in unserem Beispiel "Diese Hitze ist (Kopula) unerträglich (Prädikativ)" ist das Prädikat nicht mehr nur ein Verb.

Nach dem Subjekt kam das Akkusativobjekt an die Reihe, die "Ergänzung im Wen-Fall":

Nach dem Dativobjekt war es dann schon möglich, einfache Sätze zu zerlegen!

Dass Lehrer Caduff den Grammatik-Unterricht immer wieder auch mit dem aktuellen Zeitgeschehen verwob, mag das folgende Beispiel zum Genitivobjekt zeigen:

"Einige palästinensische Freischärler bemächtigten sich des SWISSAIR-Flugzeuges"

Damit lässt sich recht genau datieren, wann wir über Genitivobjekte gesprochen haben: es war wohl kurze Zeit, nachdem am 6. und 7. September 1970 Mitglieder der 'Volksfront für die Befreiung Palästinas' je ein Flugzeug der Swissair, der US-amerikanischen TWA und der britischen BOAC auf ihren Flügen entführt und zur Landung in der Wüste bei Zerqa in Jordanien gezwungen hatten. Am 12. September sprengten sie dann alle drei Flugzeuge, nachdem alle Passagiere und Besatzungsmitglieder evakuiert worden waren. Als Gegenleistung für deren Verschonung liess die Schweiz drei Palästinenser frei, die im Februar 1969 in Kloten ein Attentat auf ein Flugzeug der israelischen ELAL verübt und deswegen verurteilt worden waren.

Das präpositionale Objekt beschloss die Reihe der Objekte, worauf das Adverbiale der Art ("Der Maler schafft mit Pinsel und Leinwand." etc.) folgte und das Attribut in seinen verschiedenen Formen ("Tulpen aus Holland" etc.). Damit gab es – zumindest in unseren Übungssätzen – nichts mehr, was man nicht irgendeiner Kategorie zuordnen konnte.

Drei grosse Grammatikprüfungen sind ins Heft gelegt, vom 6.6.1970, 10.11.1970 und 2.2.1971. Wobei: Es ging da jeweils nicht nur um die Analyse von Wortarten und Satzteilen. So waren im November auch die Fragen zu beantworten, was wir von 'Persephone' wüssten und vom 'Styx'; und im Juni ging es auch um Reimpaare:

Literarisches

Die erste Seite im Übungsheft schien mir zuerst rätselhaft: eine halbe Seite haben wir geschrieben zum Leben des Franz von Assisi, 1181 bis 1226, "Sohn eines Tuchhändlers", zunächst Teilnehmer an zwei Kriegen, danach "angesehener Wanderprediger." "Seine ausgesprochene Tierliebe hat ihn [zum] Schutzpatron der modernen Tierschutzbewegungen gemacht. Er gründete einen Orden, (Franziskanerorden) der die Armut besonders hervorhebt." Dann eine Skizze von Italien, die Assisi etwas nördlich von Rom zeigt. Nur: hat das etwas mit dem Fach Deutsch zu tun? Keine Ahnung.

Aber dann fällt mir eine Art Wandbehang ein, der in meinem Kinderzimmer aufgehängt war, und an den ich allerlei Ansteckknöpfe und Schlüsselanhänger hängte, einen Wandbehang, den wir … möglicherweise, oder vielleicht: vermutlich genau in jener Zeit im Zeichenunterricht bei Zeichenlehrer Daeniker herstellten. Ein Wandbehang aus den verschiedensten Stoffresten, aufgenäht auf ein Gewebe, das wohl auch zur Herstellung von Kartoffelsäcken dienen konnte. Franz von Assisi: ein 'Interdisziplinäres Arbeiten' in der zweiten Bez?

Wer weiss, wer Georg Britting war? Wir wussten es einmal. Ein Schriftsteller, in Regensburg geboren. Im Heft: sein Gedicht 'Fröhlicher Regen': "Wie der Regen tropft, Regen tropft, / An die Scheiben klopft! / Jeder Strauch ist nass bezopft. // …"

 Heinrich Federer war ein Thema, dann Ludwig Uhland, dessen 16-strophiges Gedicht 'Des Sängers Fluch' auf zwei Seiten Schnapsmatrize ins Heft gelegt ist ("Es stand in alten Zeiten ein Schloss, so hoch und hehr…"). Haben wir das auswendig gelernt?

Von Theodor Fontane wollte uns Caduff die Ballade 'Die Brück' am Tay' näher bringen: ein stolzes Bauwerk in Schottland, das aber nur gut ein Jahr nach der Vollendung zusammenstürzte. Fontane lässt in der Ballade drei Hexen auftreten, die die Brücke zerstören wollen: "…" / "Hei, das gibt ein Ringelreihn, / Und die Brücke muss in den Grund hinein." / "Und der Zug, der in die Brücke tritt / um die siebente Stund'?" / "Ei der muss mit." / "Muss mit." / "Tand, Tand, / Ist das Gebilde von Menschenhand."

Es war sicher noch viel mehr los in der zweiten Bez. Unter anderem schrieben wir weiterhin Aufsätze. Davon aber an anderer Stelle.