August 1972: Eine neue Ausgabe der Schülerzeitung

Die Schülerzeitung herauszugeben war offenbar nicht eitel Freude in jenen Sommertagen des Jahres 1972: "Von der letzten Nummer wurde ein Minimum verkauft, was die Redaktion pleite machte." Und sie wurde auch nicht mit Beiträgen überschwemmt: Dabei: "Streng Dich doch ein bisschen mehr an und gib rechtzeitig einen Beitrag bei der Klasse 4a (4a, 4a) ab. So wird sicherlich Dein Name berühmt durch die nächste Ausgabe der 'Schülerzeitung'."  

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Was gibt's zu lesen in dieser Ausgabe?

Als Vorschau auf die Olympiade in München hat jemand die Weltrekorde in der Leichtathletik zusammengetragen, bei den Männern wie bei den Frauen. Auffällig bei den Frauen: viele Rekorde werden von Athletinnen aus der DDR gehalten. Die Zeiten sind noch in Zehnteln angegeben, nicht in Hundertsteln. Ein paar Namen bei den Frauen: Rosendahl, Gusenbauer, Melnik, Fuchs. Bei den Männern: Hines, Smith, Clarke, Davenport, Beamon, Lusis, Toomey.

Ankunft der DC 10: "Jürg M." aus der 1b klärt uns auf in Sachen Aviatik: "Noch in diesem Herbst wird über unserer Gegend die erste DC 10 der Swissair erscheinen", damals nach der Boeing 747 Jumbo Jet "das zweitgrösste Flugzeug der Welt im Passagierflugverkehr." Jürg ist um bildliche Vergleiche nicht verlegen: "Um vom Boden zu kommen benötigt die Maschine eine Startstrecke von 3500 m oder die Strecke von unserem Schulhaus in der Luftlinie bis nach Fischbach", und mit ihren 250 Sitzen "könnte sie den grössten Teil unserer Bezirksschule in einem Flug verfrachten".

"Ich bin der Grösste!" U.H. (Urs Humbel) aus der 4a zeichnet den Weg von Cassius Clay alias Muhammad Ali nach: von den Anfängen (mit 12 Jahren ist er schon "in der ganzen Nachbarschaft als Junge mit der grössten Klappe berüchtigt") bis zur Niederlage gegen Joe Frazier im März 1971 im "Kampf des Jahrhunderts". Und obwohl viele das Grossmaul Clay/Ali abschreiben, sind andere überzeugt, dass er zurückkehren werde, "und zwar als Weltmeister. Hoffen wir es!"

Drogen, "2. Folge". Diesmal geht es um Haschisch und Marihuana. Der anonyme Autor zählt zunächst sämtliche "Decknamen" auf, von "Heu" bis "Tea" und gibt dann eine Einführung in die Herkunft der Pflanze. Die Informationen haben durchaus praktischen Nutzen: "Die Farbe [von Haschisch] lässt einen Rückschluss auf die Menge des enthaltenen Wirkstoffes Tetrahydrocannabol (thc) zu. Unter den Benützern gilt schwarzer Afghan als beste Qualität." Und was macht man damit? "Hasch und Mary werden geraucht. Ganz selten werden sie in Tee oder Fruchtsaft aufgelöst und getrunken. Die Wirkung tritt beim Rauchen schnell, ansonsten nur zögernd ein." Und schliesslich werden die Wirkungen geschildert, die je nach Person sehr unterschiedlich seien. Was viele reize, sei "eine Verstärkung des Zeit- und Raumgefühls."

Eine kurze Geschichte von Wilhelm Busch: Die Druckqualität der Schülerzeitung liess, zurückhaltend formuliert, manchmal schon zu wünschen übrig:

Heute lässt sich aus dem Inhalt relativ schnell rekonstruieren, dass es sich dabei um den Titel 'Eine Nachtgeschichte' handelt, die hier wörtlich wiedergegeben wird.

Der Jux unter dem Titel 'Missverständnis' nach der 'Nachtgeschichte' tönt eigentlich mehr wie ein Witz, wie er in den Schülerzeitungen immer wieder mal zwischendurch erzählt wird. Aber Nein: auch diese kleine Geschichte ist von Wilhelm Busch – auch wenn sie nicht als solche gekennzeichnet ist.

"Interview mit Herrn Rohr": Lehrer geworden sei er, weil er "immer enorm Freude" am Kontakt mit der Jugend gehabt habe, meint Rohr auf die Fragen von F.W. (wohl Frank Wyler) aus der 3a. Und offenbar hat er sich auch vom "kleinen roten Schülerbüchlein" nicht verunsichern lassen: "Ganz sicher sind einige Kapitel lesenswert. Der Teil über Lehrer b.z.w. Schule gehört aber meiner Meinung nach zu den schwächsten und kann bei uns kaum Anwendung funden [so steht es] (Unsere Schüler und Leurer [auch das steht so] sind ja sooooo brav!)"

Dieses kleine rote Büchlein war damals ein Politikum: ein schmales Buch von drei dänischen Autoren, 1969 erschienen und sogleich in viele Sprachen übersetzt. Es rief die Jugendlichen dazu auf, gesellschaftliche Normen in Frage zu stellen und allenfalls auch zu verändern. Die Schule kam dabei nicht gut weg. In verschiedenen Ländern wurde das Büchlein als 'jugendgefährdend' verboten, zeitweilig auch in der Schweiz.

Scherz-Fragen: Von "Warum kräht der Hahn mit geschlossenen Augen?" bis "Welche Aehnlichkeit besteht zwischen 99 und Dir?" 24 Fragen – auf die man leider keine Antwort erhält. Und wer hat sie sich ausgedacht?

Noch einmal F.W. aus der 3a, diesmal mit den neusten Fragen an Radio Eriwan und einer Reihe von Sprichwörtern und Zitaten.

Man merkt, dass die Schülerzeitung serbelt: es ist eine kurze Ausgabe, nur 10 Text-Seiten, und nicht einmal für die neusten Biz Hits hat es diesmal gereicht!

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Veröffentlicht: 23. August 2022