Deutsch in der dritten Bez

Was sieht der Lehrplan 1972 im Fach Deutsch für die dritte Bez vor?

Aus dem 'Lehrplan für die Bezirksschulen des Kantons Aargau 1972'

Und was haben wir tatsächlich getan, in diesen wöchentlich fünf Lektionen Deutsch? Immer wieder Aufsätze geschrieben, natürlich. Daneben hat ein 'Deutsch-Übungsheft 3b' die Zeit überdauert – mal schauen, was sich dort findet.

Diktate

"Vorlesen in lautreiner und sinngemässer Ausdrucksweise" – das musste sicher auch Lehrer Caduff, als er uns jeweils zum Diktat rief. Das war offenbar dreimal der Fall.

Am 11. Mai 71 ging es wohl vor allem um die Schreibung von Substantivierungen – "Das Hingeworfenwerden hat die Vase nicht ausgehalten." – und darum, ob man etwas zusammen oder getrennt schrieb: "… und das Beschädigen von Autoreifen sind dumme Jugendstreiche" wurde dabei als Fehler angerechnet, denn es sollte heissen: "…sind Dummejungenstreiche."

Das nächste trägt kein Datum, und das dritte war dann am 10. Januar 1972. Da ging es sicher um Gross- und Kleinschreibung: "…, dass das Verlangen ins Freie am Wochenende um ein beträchtliches gewachsen ist…". Wenn jemand nun sagt, richtig sei doch "ein Beträchtliches", so stimmt das zwar, aber nur für heute. Vor der Rechtschreibreform um die Jahrtausendwende war das noch anders…

Wie bereits früher gaben wir unsere Hefte zur Korrektur an andere in der Klasse, Caduff setzte dann nur noch die Note. Meine BegutachterInnen waren Peter, Ralph und Susanne.

Grammatik

Auch das gehörte dazu, es ging ja noch um die "Vervollständigung der Satzlehre"; dass wir zusammengesetzte Sätze zerlegen könnten und die passende Interpunktion beherrschten. Ausführlich widmeten wir uns

  • dem Konjunktionalsatz: "Ich vermute, dass sie krank ist."
  • dem Relativsatz: "Der Ausflug, den wir unternommen haben, führte uns in Wallis, wo wir durch ein heftiges Gewitter überrascht wurden."
  • dem indirekten Fragesatz: "Mein Freund Peisenegger frägt mich, ob ich heute nachmittag baden gehe."

Das sind die Nebensätze mit einem einleitenden Wort: dass, den, ob, … . Dann kommen noch die Nebensätze ohne einleitendes Wort:

  • der unechte Hauptsatz: "Der Sprecher meldete, ein schweres Gewitter werde heute abend die Schweiz durchqueren."
  • der Infinitivsatz: "Die Troianer glaubten, die Griechen bereits besiegt zu haben."
  • der Partizipialsatz: "Von der Schule heimgekehrt, machte er seine Aufgaben." (Partizip perfekt) / "Heftig klatschend, applaudierte das Publikum." (Partizip präsens)

All dies hatte sicher das Ziel, uns die Instrumente an die Hand zu geben, mit denen wir gleiche Inhalte unterschiedlich ausdrücken können sollten, wie etwa:

Mindestens eine grosse Grammatikprüfung gab es, kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 1971:

Das Sezieren von Sätzen war das Eine. Caduff machte uns aber auch vertraut mit dem Umstand, dass Sprachen sich verändern, dass Wörter kommen und auch wieder gehen können.

Erbwort, Lehnwort, Fremdwort

Vielleicht stand auch diese Europakarte auf einem Sudelblatt im Dienst der Sprachgeschichte, wo wir verglichen, was 'zwei' und 'drei' in verschiedenen Gebieten Europas heisst.

Literatur

"Besprechung von längeren Texten. Balladen, lyrische Gedichte, Novellen, dramatische Szenen", heisst es im Lehrplan 1972. In meinem 'Übungsheft' gibt es dazu teils indirekte Hinweise. Im Sommer 71 haben wir uns mit Antoine de Saint-Exupéry beschäftigt, es steht einiges zu seinem Leben im Heft. Haben wir von ihm auch etwas gelesen? Wenig später Angaben zur historischen Person des Polykrates. Man muss fast schliessen, dass dies in Zusammenhang mit Friedrich Schillers Ballade 'Der Ring des Polykrates' steht:

Er stand auf seines Daches Zinnen,
Er schaute mit vergnügten Sinnen,
Auf das beherrschte Samos hin.
Dies alles ist mir untertänig,
Begann er zu Ägyptens König,
Gestehe, dass ich glücklich bin.

Irgendwann in diesem Schuljahr setzte Lehrer Caduff eine Prüfung über 'Romeo und Julia auf dem Dorfe' von Gottfried Keller an. Die Fragen gibt es nicht mehr, nur noch die Antworten. Es ging ums Interpretieren: was es in der Novelle bedeutet, dass man als Bauer "auf dem Hügel" leben kann oder aber "am Fluss"; und was es heisst, "lebendig begraben" zu sein. Aber sogar bei Romeo und Julia schleicht sich noch eine Frage zur Grammatik ein:

Ich glaube mich zu erinnern: Caduff teilte uns die Schnapsmatrizen aus mit einem Text von Ingeborg Bachmann: kein Titel darüber, offenbar ein Gedicht, aber so ganz anders als der Ring des Polykrates mit seinen regelmässigen Rhythmen und Reimen. Und wir sollten uns mit unseren BanknachbarInnen einen Reim auf die Zeilen machen.

Und was macht man, wenn man sich nicht hundertprozentig auf den Unterricht konzentrieren kann? Man verschönert das Löschblatt…