Geographie in der vierten Bez

Asien ist der grosse Kontinent, der in der vierten Bez auf uns wartet.

"Vorderasien ist das Geburtsland dreier Weltreligionen, des Judentums, des Christentums und des Islams, zu denen sich fast die Hälfte aller Menschen bekennen. Alte Kulturen und mehrere Weltreiche entstanden in diesem Raum, der heute durch seine riesigen Erdölvorräte wieder eine grosse Bedeutung erlangt hat."

Nach einer kurzen Einführung zu VORDERASIEN, dem ersten Kapitel, das erste Land:

Die Türkei

Das Osmanische Reich – sozusagen der Vorgänger der Türkei – beherrschte zu seinen Glanzzeiten "nicht nur den vorderasiatischen Raum, sondern auch ganz Nordafrika, Teile Spaniens und Osteuropa bis gegen Wien." Auch wenn viele dieser Gebiete wieder verloren gingen: "Sie [die Türken] waren ohne Zweifel die grossen Missionare des Islam."

1925 setzt Mustafa Kemal Pascha den Sultan ab und macht das Land zur Republik. Der Islam ist nicht mehr Staatsreligion, die lateinische Schrift ersetzt die arabische, die Kleidervorschriften werden gelockert, die Landwirtschaft wird modernisiert, die Industrialisierung vorangetrieben. Dass die Türkei mit dem Bosporus und den Dardanellen den Seeweg zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer kontrollieren kann, führt zu Spannungen mit der Sowjetunion und einer Anlehnung an den Westen.

Wir sprechen über einzelne Landschaften und das dortige Klima, Gebirge und Gewässer, die Wirtschaft und die wichtigsten Städte. Istanbul hat 1,7 Millionen Einwohner – heute sind es knapp 16 Millionen.

Irak

Erstaunlich: "Im 13. Jh. 30 Mio. Einwohner, jetzt nur noch 7 Mio." Zu den Gründen für diesen Rückgang erfahre ich in meinem Heft heute nichts, dafür aber, dass das Land schon glanzvolle Zeiten erlebt hat: Ninive, Babylon, Assur. Heute seien viele Leute arm, doch mit den Gewinnen aus der Ölausfuhr habe die Regierung die Bildung, das Gesundheitswesen und die Industrialisierung gefördert.

Offiziell ist der Irak eine Republik; die Wirklichkeit sehe aber anders aus: "Einflussreiche Politiker und Kaufleute leiten den Staat. Das Volk hat nicht viel zu sagen." Ausserdem fühlen sich die "Nomadenstämme im Hochland (…) nicht als Angehörige des Staates, sondern als Mitglieder der Sippe."

Von einem Mann ist damals noch nicht die Rede, der später die Welt auf Trab halten sollte: Saddam Hussein. Es gab ihn allerdings schon: 1969 wurde er Vizepräsident, und 1972 leitete er die Verstaatlichung westlicher Erdölfirmen ein.

Arabien

Erdöl auch hier: "Im Hochland Beduinen, Nomaden, mit Ziegen und Schafen. Sie leben meistens in Oasen. Vermehrte feste Ansiedlungen, vorallem wegen des Erdöls." Das Thema ist uns ein eigenes kleines Kapitel wert – wohl zurecht: "Das Erdöl – Der Reichtum Arabiens". 1928 war in Kuwait das erste Erdöllager erbohrt worden, und heute – 1972 – schätze man "die Menge auf 60% der Erdölreserven der ganzen Welt." Und für dieses Öl würden die Herrscher der arabischen Halbinsel fürstlich bezahlt von den westlichen Erdölgesellschaften, die das Öl aus dem Untergrund holten.

Gewisse Dinge prägen sich einem auf lange Zeit ein, andere vergisst man bald wieder. Etwas, was ich heute noch im Schlaf aufsagen kann, ist das Gebiet auf der Arabischen Halbinsel mit dem schönen Namen Hadramaut / Wadi Hadramaut. Ein Gebiet, das wir auf der schablonenartigen Matrize selber beschriften mussten.

Viele Jahre später fand ich mich dann tatsächlich in diesem Wadi Hadramaut wieder, staunend vor den Mauern von Shibam, einer Stadt, die auch schon den Übernamen 'Manhattan der Wüste' erhalten hat.

Shibam, Jemen, 1993

Israel

Die Geschichte des Landes Israel nimmt im Geographie-Heft einen breiten Raum ein, angefangen bei Theodor Herzls Buch 'Der Judenstaat' bis zu den Ergebnissen des Sechs-Tage-Krieges. Der zweite Schwerpunkt: die Wirtschaft. "Israel ist grundsätzlich als Agrarland zu bezeichnen." Das würde man heute kaum mehr sagen. Auch die Wirtschaftsform des Kibbuz streifen wir dabei: "Der Kibbutz besteht aus einer Arbeits- und Lebensgemeinschaft auf der Basis der Freiwilligkeit ohne Anspruch auf Privateigentum und mit gleichmässiger Gewinnbeteiligung. Eine solche, auf Selbstlosigkeit aufgebaute Wirtschaftsform kann sich allerdings nur solange halten, als Pioniergeist und Opferbereitschaft bestehen, in der Praxis heisst das, in Zeiten äusserer Bedrohung."

Syrien, Libanon, Jordanien

Landschaft und Klima, Wirtschaft ("Die berühmten Zedern des Libanon existieren nicht mehr"), Verkehr: das die Kapitel. Überflogen: Das Wasser ist kostbar; das Land, das bebaut werden kann, ist knapp; Karawanen, die zwischen Oasen verkehren; und Beirut mit dem grössten Börsen- und Handelsplatz des Vorderen Orients.

Iran

Erstaunlich: zwei Seiten über die landschaftliche Ausgestaltung der Gegend, detailliert: "Die nördliche Randkette bildet die zusammenhängende Wand des Elbursgebirges, das gegen Osten in das afghanische Gebirge übergeht. Dieses Gebirgssystem besteht aus mehreren parallelen Ketten, die von Süden nach Norden an Höhe zunehmen und ihren höchsten Gipfel im Vulkankegel Demawend (5604 m) haben. Gegen das Kaspische Meer fallen die Ketten schroff ab und bilden eine massive Klimaschranke zwischen dem feucht-tropischen Küstengebiet und dem trockenen Hochland." Daneben zwei Dutzend Städte auf einer Karte eingetragen, und wo die Bodenschätze lagern – sonst nichts. Dabei hatte doch im Oktober 71, als wir in der dritten waren, der Schah von Persien in der grandiosen Ruinenstadt Persepolis zu einem gigantischen Fest geladen, zum 2500-jährigen Bestehen der persischen Monarchie – ein Fest, das viele jenseits von allen Massstäben fanden und das nicht wenig zum späteren Sturz des Schahs und zur islamischen Revolution beitrug. Natürlich berichtete auch der Bremgarter Bezirksanzeiger darüber:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 19.10.1971

Zu Beginn die grobe Struktur der Weltgegen, mit dem beliebten Westermanns-Umriss-Stempel

… und dann die Städte Indiens mit der beliebten Matrize:

Längeres Verweilen beim Monsun: weshalb gibt es ihn überhaupt, wie funktioniert er, und welche Folgen hat er für das Klima und die Jahreszeiten Indiens.

Auch auf das Himalaya-Gebiet und die Probleme im Indusgebiet (Versumpfung, Versalzung der Böden) im benachbarten Pakistan gehen wir länger ein.

Da und dort: Vergleiche, die es uns erleichtern sollten, die Aussagen einzuordnen – mit Betonung auf 'sollten': so heisst es etwa bei den Massnahmen zur Verbesserung der indischen Landwirtschaft: der Milchertrag könnte gesteigert werden, gibt eine Kuh in Indien doch 'nur' 190 Liter pro Jahr, während es in der Schweiz 3700 bis 4000 Liter seien.

Und hier zeigt sich auch, dass die Welt sich schneller verändert hat als die Matrizen mancher Lehrer:

Hier ist noch von 'Pakistan' die Rede, wir ergänzen von Hand: "West Pakistan + Bangla Desh", und bei den Gütern, die aus- und eingeführt werden, steht "W" und "O" für die nunmehr zwei Länder.

Ein letzter Schwerpunkt zu Indien bildet das Hochland Dekan im unteren Teil des indischen Dreiecks. Auch da: Landschaft, Klima, Wirtschaft, Städte. Schwierig: Die Situation in der Landwirtschaft: "Der Boden wird relativ schlecht ausgenützt. Gründe: fehlende Düngung, schlechte Bearbeitung des Bodens (keine Geräte), keine Rationalisierung (nur kleine Betriebe), schlechte Bewässerung. Dies aber kann man den Leuten nicht klarmachen, es hat zuviele Analphabeten, man muss sie zuerst bilden. Die Regierung weiss nicht, wo die Sache anpacken. Dazu kommen noch innenpolitische Auseinandersetzungen, sodass die Agrarreform ein wenig in den Hintergrund rückt."

Im Westen des Hochlands die Malabarküste, im Osten die Koromandelküste, und dort die beiden Zentren Bombay (West) und Madras (Ost). Auch hier ist die Zeit vergangen. Bombay ist heute Mumbai, Madras Chennai. Das war damals allerdings noch nicht absehbar, und Lehrer sind keine Propheten. Etwas anderes hätte aber in unseren Heften seinen Niederschlag finden können, in der zweiten Hälfte des Jahres 1972. Die Überschrift über das nächste Kapitel:

Ceylon

Das war, zumindest offiziell, nicht mehr ganz korrekt: Sirimavo Bandaranaike, die Regierungschefin des Landes, hatte am 22. Mai 1972 – also zu Beginn der 4b – die restlichen Verbindungen zu Grossbritannien gekappt, die Republik ausgerufen, eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, und sie gab der Insel einen neuen Namen: Sri Lanka. Davon ist in meinem Heft nicht die Rede, wohl aber vom Tee. Und der heisst ja auch heute meist noch Ceylon-Tee!

Die letzten vier Seiten gehören

Australien

Das Land ist weit weg und ziemlich anders als die Schweiz: "Das Innere Australiens ist völlig leer (hängt mit dem Klima zusammen)." Es wachsen dort "Grasbäume (sehen aus wie Grasbüschel, sind aber aus Holz)", die "Säugetiere Australiens sind auf einer sehr tiefen Entwicklungsstufe stehengeblieben. Sie haben sich nicht weiterentwickelt", etwa die Beuteltiere. Und die Wildhasen, die von den Siedlern aus dem Westen eingeführt wurden, entwickelten sich prompt zur grossen Plage: "Sie vermehrten sich tüchtig (jetzt ca. 4 Milliarden). Sie können nicht ausgerottet werden."

Noch ein neuer Begriff: die "arthesische Bewässerung": ein Verfahren, das wir sicher auch aus physikalischer Perspektive hätten besprechen können – im Stil von: wie hoch schiesst das Wasser aus dem Boden – und weshalb?

Dann, nach den Schafen ("Die Schafe Australiens sind qualitativ an der Spitze der Weltrangliste, erreicht durch gezielte Kreuzungen") und ihrer hochwertigen Wolle ("qualitativ die beste Wolle, die es gibt"), scheint uns die Zeit davongerannt zu sein: die vorletzte Vorlage ist nur noch teilweise vervollständigt, die letzte blieb unbearbeitet…

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Veröffentlicht: 10. Januar 2023