Steno

Steno war sicher das Exotischste, was wir an der Bez lernen konnten – zumindest aus heutiger Sicht. Theoretisch hätten wir auch noch Griechisch lernen können, Altgriechisch, zumindest war es so im Zeugnis vorgesehen. Für Steno gab es im Zeugnis keine spezielle Zeile. Aber man konnte ja problemlos eine Zeile überschreiben, wenn sie nicht gebraucht wurde. Griechisch zum Beispiel:

Dass Steno ein nicht überranntes Fach war, zeigt sich an der Platzierung im Stundenplan: in der dritten Klasse war der Steno-Unterricht am Montag-Nachmittag in der 5. (!) Lektion angesetzt. In der vierten wiederum in der ersten Stunde am Donnerstag. Ein klassisches Randstundenfach.

Die ganze dritte und vierte Bez war ich bei Lehrer Saxer in der Steno. Zwei Jahre, eine Stunde pro Woche. Ein Stenoheft habe ich in den Überresten aus Bremgarten nicht gefunden, wohl aber ein 'Methodisches Lehrbuch der vereinfachten deutschen Stenographie', in dem vorne auf der typischen Schulbuchetikette 6 Namen eingetragen sind, von 1961 bis 1968. Wie es bei mir gelandet ist: ich weiss es nicht mehr.

Hinten im schmalen Büchlein sind zwei Seiten, wo das wichtigste zusammengefasst ist:

Und ein Steno-Text konnte dann so aussehen:

In all den Schulsachen, die ich durchgesehen habe, gibt es exakt eine Stelle, die so aussieht, als habe ich da stenografiert: Ein Sudelblatt mit Notizen zum Nahen Osten.

Das Steno-Büchlein half, das offensichtlich einfachste Wort, das letzte, zu entziffern: Levante. Ein Blick ins Geografie-Heft ergibt Hinweise auf den Rest:

Und wie war der Unterricht, damals? Gab es bei Saxer gegen Ende der beiden Jahre Diktate? Diktate, bei denen er uns etwas vorlas, und wir schrieben mit? Irgendwie so muss es gewesen sein.

Wer braucht heute noch Steno? Alle, die schnell schreiben wollen – und willens sind, zu diesem Zweck Steno zu lernen. Wer Steno kann, kann mitschreiben, wenn jemand redet. Nicht schlecht, oder? Im Parlament braucht man das und in den Gerichten, damit man später noch weiss, was die Leute genau gesagt haben. Fragt Dani, er hat beim Gericht protokolliert.

Heute sind die Spracherkennungs- und Transkriptionsprogramme schon ziemlich gut. Vielleicht stirbt Steno irgendwann aus. Noch ist es nicht soweit. Einen Schweizerischen Stenografenverband gibt es noch, mit Ablegern in verschiedenen Ortschaften, und es werden auch Kurse angeboten. An der Bez in Bremgarten dagegen ist Stenographie schon längst nicht mehr im Angebot.

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Veröffentlicht: 14. Januar 2023