14. Dezember 1970, Montag (ca.): Schülerzeitung Nummer 4

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"Sali zäme!" So begrüsst uns die Redaktion auf der ersten Seite und kündigt einige "Weihnachtsüberraschungen" an. Da wäre einmal das neue Titelblatt: "Thomas Kropf 2b; Holzschnitt: Mark Wyler, Heinz Briner" . Ich lief, als die Zeitung verteilt wurde, sicher aufrechter über den Pausenplatz als üblich. Aus den 'School Times' war nun der 'Biz Report' geworden. Nachdem die Redaktion auf einige Artikel in der Zeitung aufmerksam gemacht hat, ruft sie auf, man solle sich doch melden, wenn man Geschäfte oder Betriebe kenne, "die bereit wären, eine Annonce in unserer Zeitung drucken zu lassen." Die Fäden in der Hand hielt immer noch Lehrer Keller.

'Das Mikroskop': Die ersten drei Seiten gestaltet Lehrer Gottfried Saxer: Er wirft einen Blick zurück auf die historische Entwicklung des Mikroskops seit den Anfängen im ausgehenden 16. Jahrhundert bis zum Elektronenmikroskop, mit dem man, seit 1934, "sogar Viren sichtbar machen kann." Dann wendet er sich direkt an uns SchülerInnen: "Diese Zeilen sollen Dir zeigen, worauf Du bei der Auswahl eines vergrössernden Gerätes achten sollst" – für den Fall, dass wir uns mit dem Gedanken tragen sollten, uns ein "Schülermikroskop" schenken zu lassen. Die Preise variierten beträchtlich, schreibt Saxer, und man solle sich nicht allein davon leiten lassen, wie stark das Mikroskop vergrössere: "Es ist besser, ein Gewebe nur 300fach vergrössert gut zu sehen als bei einer trügerischen 800fachen Verzerrung unklar und verschwommen. Du willst ja nach der Wahrheit suchen, die Dinge möglichst so sehen, wie sie sind." Da spricht der wahre Forscher!

'Interview mit einem Kondukteur der BDB': Die beiden Interviewerinnen Anne Midtbö und Vreni Schütz befragen einen Kondukteur, der erst ein halbes Jahr bei der BDB arbeitet, aber doch schon einiges erlebt hat. Er berichtet darüber, was ihn am Verhalten der Schüler(innen?) stört, aber auch darüber, dass er "mit Mädchen und Knaben im Gepäckraum schon recht interessante Diskussionen über alle möglichen Themen" geführt habe; darüber, dass er ihnen eher nicht empfehlen würde, BDB-Kondukteur zu werden, da man als Kondukteur "meistens etwas als 'Dubel' betrachtet werde." Und er verrät, was er unternehmen würde, wenn der Zug einmal ohne ihn abfahren würde: "Nichts, ich würde auf den nächsten Zug warten."

'Das Gesicht des 20. Jahrhunderts', 2. Fortsetzung: Aufschwung der Technik, rasche Verbreitung der Massenmedien, steigende Löhne. Die Industrialisierung verdrängt die Bauernhöfe, die Abwässer der Fabriken verschmutzen die Umwelt. "Woher beziehen wir in 50 Jahren [also heute!] das Trinkwasser?" Die Amerikaner landen auf dem Mond, Japan ist tonangebend in der Technik und bedroht den Schweizer Uhrenmarkt. Die Jugend lasse Moral und Sittlichkeit schlittern, die langen Haare verunmöglichten es, Buben von Mädchen zu unterscheiden, Rauschgift, "abgeschabte Jeans" , Militär verweigern – so töne es von den Älteren. Aber: "Wäre die ältere Generation, wenn sie jetzt jung wäre nicht ebenso wie wir???" fragt U.F. aus der 4b.

'Schischyphusch' von Wolfgang Borchert, 1. Fortsetzung.

Eine Seite Inserate. Unter anderem wirbt die Drogerie Hirt in Bremgarten: "Fühlst Du Dich müd und schlapp / und geht der Lerneifer Dir ab, / doch möchtest Du nicht repetieren, / musst IROVITON Du probieren! / …" Und die Eisenhandlung Heizmann in Bremgarten hat auch etwas Verlockendes im Angebot: "Für Euch Schüler haben wir verschiedene Luftgewehre und Luftpistolen."

'Theater und Filme': Die Seite soll SchülerInnen Hinweise geben auf "geeignete gute Filme und Theaterstücke, die in erreichbarer Nähe von Bremgarten gespielt werden oder am Fernsehen gesendet…" Dabei könnten auch die Lehrer gefragt werden, ob sie bereit seien, eine Klasse zu begleiten. "Das hätte den Vorteil, dass das Gesehene diskutiert werden könnte." Wer war der Autor des Artikels? Lehrer Keller, der ja eine Nähe zur Kultur hatte? Ursina Steinemann aus der 4b liefert sodann eine kritische Würdigung von Friedrich Dürrenmatts Inszenierung von Goethes 'Urfaust'. Dann noch einmal der vorherige Autor zum Thema Kino: Das Angebot sei "sehr bescheiden" , nachdem 'L'enfant sauvage' aus dem Programm genommen worden sei. Er dachte wohl an Streifen wie 'Komm Sabata… der Henker wartet' oder 'Eine Handvoll Blei für den Sheriff' oder 'Das Schiff der liebestollen Frauen'. Aber es liefen auch Pasolinis 'Edipo' und Gorettas 'Le fou'… (Zürcher Kino-Programm vom 9.12.1970 in der NZZ)

'Ein Tiererlebnis': Madeleine Zweifel aus der 1b berichtet, wie sie in einem Busch eine grosse Spinne in ihrem Netz entdeckt, dieser Spinne eine Heuschrecke ins Netz klebt und dann den Kampf zwischen den beiden beobachtet. Auch da schon: die wahre Forscherin!

Weihnachtskonzert: Kurt Steimen informiert darüber, was am 22. Dezember im Casino gesungen wird und wie die Proben verlaufen sind. Ein Dank geht an die Eltern, die "für unsere Probenarbeit so viel Verständnis aufbrachten. (…) Aus stundenplantechnischen Gründen konnten die Proben leider nicht zu anderen Zeiten angesetzt werden."

'Indianer': Der Artikel ist nicht unterzeichnet. Wir erfahren einiges über die Herkunft der Indianer, über ihre Lebensweise, und dass Karl May den Indianer "zum Abziehbild, zum Typus" gemacht habe, was mit der Realität wenig gemein habe. Fortsetzung soll folgen.

Nach einer weiteren Seite mit Inseraten haben Markus Alder und Mark Wyler einen Ausschnitt aus Alistair MacLeans Roman 'Jenseits der Grenze' eingefügt – zwei Seiten, Fortsetzung folgt.

Ein 'Grosser Wettbewerb der Bibliothek' wird angekündigt, vom 14. bis am 19. Dezember, mit Buch-Preisen natürlich!

'Der Flughafen Zürich wächst in die Zukunft': Kloten, 1970 der achtgrösste Flughafen in Europa, stehe vor grossen Ausbauplänen, berichtet der Autor (die Autorin?) mit Kürzel HB. Im kommenden Frühling, wenn die zweite Bauetappe beendet sei, würden jährlich 5 Millionen Passagiere abgefertigt werden. Etwa 1976 werde dann "die maximale Kapazität auf dem heutigen Areal ausgenützt sein." HB zeichnet auch die Pistenverhältnisse 1970 und jene um 1975, was auf der Matrize sicher nicht ganz einfach gewesen ist:

'Die Emanzipation der Frau': Doris Rüegg gibt einen Überblick über Frauenbewegungen in Europa und wendet den Blick dann der Schweiz zu, wo die Frauen kantonal erstmals an die Urnen gehen konnten – und die Männer dazu "ihre Grosszügigkeit demonstrierten" . Selbstkritisch fragt die Autorin: "Aber sind wir nicht selber die Schuldigen?" Und nennt als Beispiel den Trend zum Midi-Rock: "Irgend so ein Modeschöpfer entwirft eine Kollektion und alle Frauen tanzen seiner Nase nach. Wo bleibt da die Frau, die sich vom Mann nichts sagen lässt???"

Die Biz-Hits schliesslich präsentieren sich so: