Fernsehen und Radio

Wir werden in letzter Zeit immer wieder mal von Freunden gefragt, ob wir nicht endlich auch ein Netflix-Abo lösen wollten; die Serien dort seien einfach umwerfend.

Ja, das stimmt sicher. Aber wir abonnieren Netflix trotzdem nicht. Wir sind auch so recht gut mit Fernsehsendern versorgt, die Swisscom liefert uns etwa 150 Sender, die wir uns kaum anschauen, nicht einmal den Schweizer.

Während wir heute eher an einem überschiessenden Angebot leiden – man muss ja immer auch zuerst herausfinden, was man überhaupt will –, war es damals eher umgekehrt.

Bremgarter Bezirksanzeiger: 9.1.1970
Bremgarter Bezirksanzeiger: 3.11.1972

Anfang 1970 gibt es bei uns drei Sender, die man empfangen kann: den Schweizer, Deutschland I und Deutschland II. Rund drei Jahre später sieht es noch genau gleich aus. Der einzige Unterschied: 1972 gibt es im Fernsehprogramm deutlich mehr x bei den Sendungen, was bedeutet, dass sie in Farbe sind. Und das mit den drei Sendern trifft die Wirklichkeit auch nur annähernd. Viele Haushalte hatten nur einen einzigen Sender, den Schweizer. Wenn sie überhaupt Fernsehen hatten. Wir zum Beispiel hatten anfänglich nur den Schweizer, wir sassen in Rudolfstetten in so etwas wie einem Funkloch. Meine Mutter hat dem abgeholfen, indem sie auf dem Dach eine gigantische Antenne montieren liess, höher als das Haus selbst – die dann prompt bei einem Unwetter umgeblasen wurde.

Das Angebot war also überschaubar. Das hatte allerdings auch sein Gutes: Die Leute schauten alle dasselbe. Und konnten dann auch alle über das reden, was sie gesehen hatten. Das ist heute schon nicht mehr ganz so. 'Medien-Bubble' ist ein Ausdruck, der nicht von damals stammen kann.

A propos Farbfernsehen: Das war gerade am Aufkommen. Eine Firma warb mit dem Slogan 'Farb-Fernsehen müsste man haben!!!'

Bremgarter Bezirksanzeiger, 9.1.1970

Was neu ist, hat auch immer seinen Preis. 1500 Franken musste man sich damals zuerst einmal leisten können. Wie viel kostet heute ein nicht gerade überdimensionierter Apparat? So um die 300, 400 Franken? Und wenn man sich noch vor Augen hält, dass ein Angestellter mit einer Berufslehre 1970 um die 1600 Franken pro Monat verdiente, kann man sich vorstellen, wie luxuriös ein solcher Farbfernseher war.

Was man sich heute nicht mehr vorstellen kann: Dass das Schweizer Radio eine Sendung erfindet mit dem Namen 'Auto-Radio Schweiz'. Und doch: eine solche Sendung gab es, als wir in Bremgarten zur Schule gingen. Aus Anlass der 2000. Sendung berichtete sogar das Fernsehen darüber.

Bremgarter Bezirksanzeiger: 9.1.1970

Die Sendung gab es jahrelang, ebenso Sendungen wie 'Mys Gärtli', 'Das Zürcher Blasorchester spielt' und 'Überall isch Samschtig'. Ja sogar das 'Echo der Zeit', auch heute noch ein Flaggschiff des Schweizer Radios, gab es bereits.

Radio Beromünster

Der Sender hiess seit 1967 nicht mehr 'Radio Beromünster' – die alten Apparate waren aber noch lange so angeschrieben –, sondern 'Schweizer Radio DRS'. Das änderte aber nicht viel an seinem volkstümlichen Charakter, und für die meisten von uns hielt er kaum etwas Hörbares bereit.  Am ehesten noch die Hitparade am Dienstagabend.

Das 'zweite' Programm war auch nur für die wenigsten eine Alternative. Auch dort zu finden: Typisches für die damaligen Jahre: eine Sendung hiess 'Per i lavoratori italiani in Svizzera'.

Bremgarter Bezirksanzeiger: 9.1.1970

Ein 'drittes Programm' für ein jugendlicheres Publikum war noch in weiter Ferne, da musste zuerst Roger Schawinski mit seinem Radio 24 kommen und den hiesigen Behörden Beine machen. Erst 1983 war es soweit.

*

Veröffentlicht: 23. Juli 2022