Schützend und schön: der Einband

Ein alter Brauch: wenn man jemandem ein Geschenk gibt, packt man es vorher in ein schönes Papier ein. Damit es gut geschützt sei; damit es noch schöner erscheine; damit die Freude durch das Verbergen und den Akt des Auspackens verzögert und gesteigert werde. Ein schöner Brauch.

Weshalb haben wir früher aber unsere Hefte und Bücher mit solchem Papier 'eingebunden'? Das Auspacken entfiel – klar. War es nur der Schutz? Damit die Hefte nicht so schnell zerfleddern, die Bücher keine wüsten Ecken bekommen? Viele der Bücher gaben wir nach einem Jahr oder zwei zurück, nachdem wir auf der Klebe-Etikette  das "Datum der Rückgabe" eingetragen hatten. Dann war es hoffentlich noch in einem akzeptablen Zustand für jene, die es nach uns übernahmen.

War es nur der Schutz, oder war es doch mehr? Dem Inhalt einen besonderen Wert zumessen, indem man ihm eine Hülle gibt? Manchmal habe ich den Eindruck, ein Buch werde immer schwerer, während ich es lese, über die Tage und Wochen. Und das allein, weil sich sein Inhalt nach und nach in meinem Kopf festsetzt; weil ich dem, was ich gelesen habe, Gewicht gebe. Und so erscheint vielleicht auch das Heft und das Schulbuch besonders gewichtig und wertvoll, wenn es eingebunden ist?

Wenn das Geschenk in schönes Papier eingepackt ist, kommt noch, zum Schluss, ein Bändel hinzu. Und wenn das Schulbuch oder das Heft eingebunden ist, muss man noch wissen, wem es gehört: Etikette draufkleben und anschreiben. Das fing ja schon an in der Primarschule, als ich noch gar nicht schreiben konnte – wie hier das Zeugnis aus der Primarschule im Welschland, das meine Mutter angeschrieben hat. (Als wollte sich der Indianer dagegen wehren, überklebt zu werden, hat er dem Wachs des Einbandpapiers aufgetragen, es solle die ganze Etikette durchdringen, bis sie ganz durchsichtig ist.)

In jedem Haushalt mit Kindern gab es deshalb strapazierfähiges Papier zum Einbinden der Bücher und Hefte. Das gleiche 'Schrankpapier' wohl, das man auch benützte, um Holz-Tablare zu überziehen und Schubladen auszukleiden. Und auch solche Etiketten waren wohl überall vorhanden:

Wer wüsste noch, wie ein Heft, ein Buch eingebunden wird? Irgendwie so:

  

Was man sicher sagen kann: die unterschiedlichen Einbände der Hefte und Bücher machten unser Leben in der Klasse farbiger!

Heft- und Bucheinbände von Pia, Dani, Thomas

Und heute? Binden die Schülerinnen und Schüler ihre Hefte und Bücher immer noch ein? Schon lange nicht mehr! Pia, die noch bis im Sommer 2021 an der Bez in Bremgarten unterrichtete, meint, bei den Heften habe man das vor vielen Jahren bereits aufgegeben. Es habe mal eine Zeit gegeben, da habe die Firma Thomy & Frank fixfertig zugeschnittenes Papier angeboten – selbstverständlich mit lustigen Senf- und Mayonnaise-Tuben-Figuren drauf. Aber das sei eine Episode gewesen. Und Schulbücher würden manchmal noch eingebunden, aber nur noch selten.

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August 1971 / 2021