21. März 1972, Dienstag: Impfung gegen Kinderlähmung

Kinderlähmung?

1954, kurz, bevor wir geboren wurden, gab es in der Schweiz eine letzte grosse Epidemie mit 1628 Fällen von Kinderlähmung.

Das Polio-Virus gelangt in den Körper, vermehrt sich dort – und macht sich bei vielen Infizierten gar nie bemerkbar. Bei einer Minderheit jedoch zeigen sich Lähmungen, die in schweren Fällen zum Tod führen können.

Um die gleiche Zeit wie diese Epidemie wurden erstmals Impfstoffe gegen die Kinderlähmung entwickelt, die bald einmal Wirkung zeigten: die Zahl der Krankheitsfälle sank rasch, und 1965 gab es in der Schweiz erstmals keinen einzigen Fall mehr. Heute gilt Europa als frei von Kinderlähmung. In manchen Ländern gibt es die Krankheit allerdings nach wie vor. Und deshalb gibt es auch die Impfungen gegen Kinderlähmung immer noch.

Sogar die Schul-Impfung gegen die Kinderlähmung gibt es heute noch, im Kanton Aargau als Kombi-Impfung gegen Diphtherie, Starrkrampf, Keuchhusten und Kinderlähmung.

Die Impfung gegen die Kinderlähmung hatte um 1970 herum noch einen höheren Stellenwert als heute – zu frisch waren die Erinnerungen an die vielen Fälle. Entsprechend wurde auch für die Impfung geworben, wie hier im Bremgarter Bezirksanzeiger vom 25. Januar 1972:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 25.1.1972

"Freiwillig und unentgeltlich" war die Impfung, empfohlen für Kinder ab dem 4. Monat und "ältere Personen, die noch nie den Schluckimpfstoff bekommen haben." Anmeldung bei der Gemeindekanzlei in Bremgarten. Wobei: "Die schulpflichtigen Kinder werden in der Schule geimpft und sind nicht anzumelden." Es brauche zwei Impfdosen, heisst es in der Mitteilung des Gemeinderats, die erste sei auf den 8. Februar angesetzt. "Wir empfehlen, für zu impfende Kinder einen Teelöffel mitzubringen." Aah, ja klar! Ganz vergessen.

Anfang März ruft der Gemeinderat dann zur zweiten Impfung auf:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 10.3.1972

14 Uhr 30, wiederum im Singsaal des Gartenschulhauses, das vor einem Jahr eröffnet worden war, gleich hinter dem Bezirksschulhaus. Und auch in diesem Aufruf fehlte der Hinweis auf den Teelöffel nicht.