Die Verteilung der Bändel, oder: wie man im Turnen Teams bildet

Gespräch, vor einiger Zeit, mit einer Lehrerin, sagen wir ihr G. Das Gespräch ging ungefähr so:

T: Du, sag mal, wenn ihr im Turnen Mannschaften macht: wie bildet ihr da die Teams?

G: Ja, da gibt’s ganz verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel mit Abzählen oder nach Geburtstagen, oder die Lehrperson teilt die Teams ein.

T: Und das, was wir früher gemacht haben, dass zwei Schüler immer abwechselnd wählen? Gibt's das auch noch?

G: Neeeeeein! Stell dir vor. Das gibt's schon lange nicht mehr.

T: Ah ja? Warum?

G: Weisst du noch, wie das war? Da wurden zuerst immer die Stärksten gewählt und am Schluss die Schwachen.

T: Ja, ist ja klar, und?

G: Klar ist das klar. Aber für die, die am Schluss noch da sind, ist das nicht so lustig. Es sind ja immer die gleichen.

T: Natürlich ist das so – zumindest, wenn die Schüler einander kennen. Da weiss man ja, wer welche Stärken und Schwächen hat.

G: Eben.

T: Was eben?

G: Die Schwächeren sind dann immer die, die am Schluss übrig bleiben.

T: Die bleiben ja nicht übrig, die kommen auch in die Mannschaften, einfach am Schluss. Und abgesehen davon ist das das beste Verfahren, um ausgeglichene Mannschaften zu haben.

G: Wie kommst du darauf?

T: Wenn sich die beiden, die wählen, genau – so genau, wie das halt geht – also immer genau nach der Stärke der Schüler auswählen, dann sind am Schluss die Teams gleich stark. Und das ist die beste Voraussetzung für ein ausgeglichenes, spannendes Spiel.

G: Ja, das kann schon sein. Aber pädagogisch ist das nicht gut.

T: Aber schau doch mal: Wenn du abzählst, wie du gesagt hast, oder sonst irgendwie verteilst, und zufälligerweise sind alle Starken in einem Team und alle Schwachen im andern: ist das dann lustig?

G: Nein, vielleicht ist das dann nicht lustig. Aber du hast das Prozedere vermieden, dass sich die Schwächeren immer ausgestellt vorkommen.

T: Das stimmt. Aber fühlen sich die Schwächeren im Spiel dann besser? Sie spielen ja vermutlich nicht besser, nur weil sie anders zugeteilt wurden. Und dass sie nicht so gut sind, das sehen dann ja auch alle.

G: Ja. Aber es ist dann nicht so offensichtlich.

T: Weiss ich dann nicht. Und abgesehen davon: Wäre den Schwächeren nicht besser gedient, wenn sie einen möglichst guten Umgang mit ihrer sportlichen Schwäche finden würden? Wenn sie sich sagen: ok, ich bin im Sport vielleicht nicht die Kanone, dafür bin ich in Mathe oder andern Fächern gut? Da sind dann die Sportskanonen die Schwächeren. Das würde fürs Selbstbewusstsein vielleicht mehr bringen, oder nicht?

G: Vielleicht. Vielleicht müsste man aber im Schulsport auch mal etwas wegkommen vom Gedanken, dass es immer ums Gewinnen geht…

 

Sicher ist: Die Methode des freien Auswählens durch die SchülerInnen ist heute démodée. In einer Broschüre des Bundesamts für Sport zum Thema Spielen heisst es grundsätzlich: "Die Teambildung mit Auswählen durch die Schülerinnen und Schüler ('Wählen') ist für die schwächeren Spielerinnen und Spieler demütigend. Auf diese Weise werden soziale und spielerische Rangordnungen unnötig verstärkt. Als Folge fühlen sich die weniger gut Spielenden schon vor Beginn des Spiels noch schwächer als sie eigentlich sind." Das gilt ausdrücklich auch für die Schulstufe der 6. bis 9. Klasse: "Auf das 'Wählenlassen' sollte grundsätzlich verzichtet werden. Spät Gewählte erleben beim 'Wählen' die Erniedrigung, nicht erwünscht zu sein, immer wieder. Es gibt geeignetere Möglichkeiten der Gruppenbildung." Als Möglichkeiten werden u.a. genannt: die Einteilung nach Kleiderfarben, Anfangsbuchstaben, Geburtstagen, oder auch spielerische Varianten, etwa: "Mit Wäscheklammern: Alle S haben eine farbige Wäscheklammer gut sichtbar angesteckt. Wer kann am meisten ergattern und sichtbar anheften? Am Ende erhalten alle wieder eine Klammer. Jede Farbe bildet ein Team." Ziemlich raffiniert, nicht?

 

Quellen:

Eidgenössische Sportkommission EKS: Lehrmittel Sporterziehung, Band 1: Grundlagen. 2005. Online abgerufen Oktober 2020.

Eidgenössische Sportkommission EKS: Lehrmittel Sporterziehung, Band 5: 6.-9. Schuljahr. 2005.