30. Mai 1970, Samstag: Der Schlüsselanhänger oder: Wer bin ich?

Heute Abend ist die Schweizer Fussball-Meisterschaft zu Ende gegangen. Basel kantert Wettingen auswärts 5 zu 0 nieder und wird Meister, vor Lausanne-Sport und dem FC Zürich.

Wenn man jung ist, sucht man sich selbst – sagt man oft. Das stimmt vermutlich ja auch. Und wenn man sich sucht, schaut man sich um und fragt sich: wie sind denn die andern? Die, die ich kenne. Und die, die ich irgendwie cool finde. Wobei: cool sagten wir damals ja nicht. Vielleicht lääss?

Jemanden, den ich damals absolut s'Zäni gefunden habe, war der hier:

Fritz Künzli. Einfach eine Bombe. Es war völlig illusorisch, so tschutten zu wollen wie er. Aber immerhin: ich konnte ja ein Fan sein. Und weil man sich auch über seine Idole identifiziert, war es hilfreich, sie zu zeigen. Poster – wäre ebenfalls mal ein Thema. Oder eben: Schlüsselanhänger.

Manche der Schlüsselanhänger waren damals so, dass man sie irgendwie aufmachen konnte und dann Bildchen reinschieben – und wieder zumachen. War vermutlich gar nicht so einfach, mit den damaligen technischen Möglichkeiten (kein Scanner, keine digitale Verarbeitungsmöglichkeiten, kein Farbkopierer…) die Bildchen so zu finden, dass sie gerade in den Schlüsselanhänger passten. Oder wussten die Zeitschriften um diese Schlüsselanhänger und brachten die Fotos in der richtigen Grösse?

Jedenfalls Künzli. Der Stürmer, der dauernd Tore schiesst. Beim Cup-Final im Berner Wankdorf-Stadion schoss er vor knapp zwei Wochen, am 18. Mai, zwei Tore gegen den FC Basel und sicherte damit dem FCZ den Sieg. Keine Ahnung mehr, aber irgendwie bin ich beim Tschutten dann auch im Sturm gelandet. Grümpelturnier und FC Rudolfstetten und in der Schule halt. Mehr nicht. Nicht wie Künzli.

Auf der Rückseite war der andere, den ich auch toll fand, aber nicht ganz so toll wie Künzli: Köbi Kuhn. (Komisch – beide sind im Abstand von einem Monat gestorben, Ende 2019.)

Beide bei 'meinem' FCZ!

Für einen andern schwärmte ich zwar nicht, aber ich achtete ihn. Weniger, weil er auch gut Fussball spielte, als vielmehr, weil er der Captain der andern grossen Mannschaft jener Zeit war, des FC Basel: Karl Odermatt. Der personifizierte FCB.

FCZ – FCB. Wie war doch der Fussball anders damals.

Schlüsselanhänger als Teil der eigenen Identität. Wie die Hosen und die Haare.

Heute ging die Schweizer Meisterschaft zu Ende. Morgen beginnt in Mexiko die Weltmeisterschaft. Fritz Künzli und die Schweiz sind in Mexiko nicht dabei. Es nahmen aber auch nur 16 Mannschaften teil, nicht 32 wie heute.