Das Etui

Es gibt Dinge, die ändern sich erstaunlich wenig über die Zeit.

Dieses Etui mit Namen NILS kann man heute kaufen, im Jahr 2021, es ist aus süddeutschem Rindsleder, wie es in der Annonce heisst, hat 22 Schlaufen für Stifte, eine für einen Fülli, eine für ein Lineal, und dann noch zwei andere: "Utility-Schlaufen". Auf einem weiteren Bild sieht man, was damit gemeint sein könnte: ein Spitzer und ein Radiergummi stecken drin. Auch das Geo-Dreieck, das abgebildet ist, sieht genau gleich aus wie vor 50 Jahren.

Mein altes Etui sieht nicht mehr so frisch aus. Es hat mich allerdings nicht nur während der gesamten Bez begleitet, sondern auch danach während der Mittelschule und noch etwas darüber hinaus.

Aussen trägt es oben das Abbild einer frühen Begeisterung: den Panda des WWF. Aufgeklebt, schön gemittet, vermutlich 1971. Gleich nach den Sommerferien 71 hatte ich meine 5 Franken für die Mitgliedschaft einbezahlt – der Einzahlungsschein galt gleichzeitig auch als Mitgliederausweis – und mir anschliessend Anstecker (Anstecker? Ansteckknöpfe?), Kleber und allerlei Sonstiges mit dem Panda drauf besorgt. Daneben, abgeschabt, ein Kleber der Rega, mit der Ankündigung, dass ab November 72 eine neue Telefonnummer gelten würde. Von den Klebern auf der Rückseite ist nur noch einer knapp zu entziffern: Blackout. Die Disco beim Flughafen Kloten. Gab's schon seit 1969, aber während der Bez war ich ganz sicher nie dort.

Das Innere des alten Etuis: Schlaufen für Stifte und einen Fülli, für ein Lineal und einen Zirkel, und dann noch eine ganze Reihe von Utility-Schlaufen. Das ganze Arsenal. Und auch noch einige Stifte sind drin, zwei Füllis von Pelikan und jener pink-silbrige, mein one and only, schon in der späteren Bez. An kein anderes Schreibgerät habe ich mein Herz so sehr verloren. Heute trägt der Lamy nicht nur die Spuren des täglichen Gebrauchs von damals; der silbrige Glanz des Schafts hat sich teilweise aufgelöst, der Schimmer ist weg, der Untergrund zeigt sich an diesen Stellen matt und leicht klebrig. Weiter: Ein Tintenkiller, zwei Radiergummis, ein Zirkel und eine One-Cent-Münze von 1950.

Die Graphitmine, die im Zirkel steckt, ist gespitzt, die rote Tinte in der Ersatzpatrone im gelben Pelikan ist ausgetrocknet, auch wenn das kleine Kügelchen, das sie verschliesst, noch an ihrem ursprünglichen Ort ist. Und der riri-Reissverschluss lässt sich wieder schliessen, als sei da seither gar nichts gewesen.