19. Februar 1973, Montag: gleich zwei Probeabschlussprüfungen

Die Zeit an der Bezirksschule: Jahre der Suche nach uns selbst; Jahre der zunehmenden Abgrenzung gegenüber den Eltern; Jahre des Prüfens wechselnder Freundschaften; Jahre des Hineinwachsens in eine noch fremde Welt.

Die Schule war während dieser Jahre ein Teil des Lebens. Ein Teil mit einem klaren Ziel: Alles, was wir taten: jedes Schulbuch, das wir aufschlugen, jede Rechnung, die wir zu lösen versuchten, jedes Französischwort, das wir uns einprägten: alles dies taten wir im Hinblick auf ein paar wenige Stunden ganz am Ende dieser Schulzeit. Dort wartete sie auf uns: die Abschlussprüfung.

Die Abschlussprüfung war Teil des Konzepts: Wir lernen, und dann wird geprüft, wie viel wir gelernt haben. Das Konzept ist kein Naturgesetz. Man kann auch lernen, ohne dass anschliessend geprüft wird. Das Konzept hat wohl seine Vorteile wie seine Nachteile.

Jedenfalls war allen klar: sie würde kommen, diese Abschlussprüfung. Und es ging darum, einen Umgang mit diesem Schlusstermin zu finden. Wann sollte man beginnen, sich damit zu befassen? Wie viel Zeit einsetzen? Wie umgehen mit den Sorgen, die damit verbunden waren? Wie ernst die Prüfung nehmen? Einmal Anfang März 73 kam Rektor Knecht auf uns zu, als wir auf dem Schulgelände herumlungerten, und fragte uns, ob wir nicht lernen wollten für die Abschlussprüfung; wir sähen so sicher aus…

Prüfungen kann man auch simulieren, und das taten wir denn auch. Lehrer Caduff hatte den Anfang gemacht, hatte uns bereits im März 72, also ein volles Jahr vor unserer Abschluss, eine Probeprüfung vorgesetzt: Aufsatz. Sinnigerweise bekamen wir die Themen, mit denen sich die Viertklässler in ihrer Abschlussprüfung einige Tage zuvor beschäftigt hatten.

Mitte Dezember ging es dann weiter mit der ersten Probeprüfung in Latein, und ab Mitte Februar folgten sie fast im 3-Tages-Takt.

Hinten im Geometrieheft der vierten Klasse ist ein ganzes Bündel von Aufnahmeprüfungen beigelegt: Prüfungen zum Übertritt in die Kantonsschulen Aarau und Baden, aber auch an die LehrerInnen-Seminare Aarau und Wettingen. Aufnahmeprüfungen aus den Jahren 1962 bis 1967. Eine Reihe dieser Prüfungen haben wir probehalber gemacht. Eine davon ist mit SW 63 überschrieben – vermutlich 'Seminar Wettingen 1963':

Wir haben die Prüfung anschliessend in der Klasse angeschaut, es gab keine Noten.

Diesen Montag nun – es ist der 19. Februar – stehen gleich zwei solche Prüfungen an: eine in Deutsch, eine in Latein. Ich habe sie beide nicht gefunden. Einziger Hinweis darauf: ein kurzer Eintrag im Tagebuch.

Am 5. März, einem Montag, steht dann im Tagebuch: "Heute hatten alle frei, ausser die Lateiner. Noch eine letzte Probeabschlussprüfung. (…) Um halb zehn gingen wir dann mit Beni [Knecht, Lateinlehrer und Rektor] in die Krone einen ziehen gogen. Er war sehr freundlich, zahlte uns alles. Wir hatten alle nicht gewusst, wie angenehm Lateinunterricht sein konnte." Neben dem Trinken: Kegeln und Töggeli-Kasten-Tschutten. Der beste von allen am Kasten: der Lehrer.

Eine Woche später, am 12. März, galt es dann ernst.