Lesen in der Freizeit

Dani zuhause in den Ferien:

Was tut er da? Die Mutter, der Vater haben ihn gerade bei der Lektüre gestört für ein Foto, er schaut kurz auf, um sich dann wieder in sein Buch zu vertiefen. Und was liest er? Schwer zu sagen, ohne Lupe, und er weiss es auch nicht mehr genau. Aber die Lupe ist ja im Scanner eingebaut. Ok, vergrössern.

Irgendetwas 'im wilden Westen'? In der Internet-Suchmaschine eingeben 'im wilden Westen' und 'Bilder' drücken. Und prompt kommt:

Bild: Internet

Dani liest also in der Freizeit Karl May. Das ist jetzt nicht umwerfend überraschend, Karl May haben sicher noch viele Buben damals gelesen. Und heute? Der 13-jährige Dani von 2020 heisst Noah oder Luca. Liest er Karl May? Liest er überhaupt Bücher in der Freizeit?

2012, als man sich an Karl May erinnerte, weil er vor 100 Jahren gestorben war, gab es auf dem Portal nordbayern.de einen Beitrag dazu, in dem es unter anderem hiess: "Im zweiten Stock des Thalia, Abteilung Kinder- und Jugendbuch, steht kein Werk des berüchtigten Sachsen. Buchhändlerin Angela Loos, zuständig für die Jugendabteilung, bedauert: „Karl May wird ziemlich selten nachgefragt. Und wenn, dann sind es von all den vielen Büchern doch nur dieselben Werke: nämlich Winnetou I bis III, Old Surehand und der Schatz im Silbersee. Und Kinder oder Jugendliche kommen gar nicht. Die verlangen nach den ,Fünf Freunden‘ und den ,Drei Fragezeichen‘. Wenn schon Karl May, dann verlangen ältere Herren und Damen danach, die bestellen dann für ihre Enkelkinder." Gegen 200 Millionen Bücher von May sollen bis heute gekauft worden sein, 100 Millionen in Deutschland.

Was Mädchen lasen

Fotos von lesenden Mädchen unserer Klasse sind bisher nicht aufgetaucht. Dafür hat Pia in der ersten Bez einen Aufsatz geschrieben zum Thema 'Ein Buch, das mich fesselte'. Das Buch: 'Rätsel um den geheimen Hafen', die Autorin: Enid Blyton.

Bild: Internet

Und Frau Blyton war noch erfolgreicher als Herr May: 600 Millionen verkaufte Bücher! Das kann nicht verwundern: "Diese Schriftstellerin schreibt sehr spannende Bücher." So steht es in Pias Aufsatz.

Im 'Rätsel um den geheimen Hafen' kommen laut Pias Aufsatz nicht nur Cousin Stubs und sein Hund Lümmel vor, der die Gewohnheit hatte, "alle Haarbürsten und Teppichvorlagen zu verschleppen." Man trifft auch noch Diana und ihren Bruder Robert. Sie alle sind zusammen mit einem Kindermädchen in den Ferien. Dort lebt ein schwerhöriger Zauberer, der in Wirklichkeit ein verkleideter Polizist ist. Die Handlung ist verschlungen. Immer wieder neue Wendungen. Bis am Schluss sich alles löst. "Ich finde dieses Buch so gut, weil man bis auf die letzten Seiten gespannt ist, wer der wirkliche Täter ist!"

Ich habe mich im Juli 2020 mit Pia und Irene über ihre damalige Freizeit-Lektüre unterhalten. Weisst Du noch, Pia, was Du damals, in den ersten beiden Bez-Jahren, gelesen hast?

Neben den Büchern von Enid Blyton waren da auch noch Romane, in denen Mädchengruppen Abenteuerliches erlebten, oft in Internaten. Nur: Namen von Autorinnen und von Büchern sind nicht mehr präsent. Auch Irene weiss nicht mehr, was sie gelesen hat. Aber sie erinnert sich, dass Bücher fester Bestandteil ihrer Freizeit waren:

Was war typisch für die Bücher?

Etwas mit anderen zusammen erleben: das ist, was den meisten dieser Bücher gemeinsam ist. Doch auch wenn sie oft dem gleichen Strickmuster folgten: sie blieben reizvoll. Das Zauberwort:

Was Buben lasen

Lasen die Buben auch Bücher mit Helden, mit denen sie sich identifizieren konnten? Natürlich gab es die. Alfi hat Anfang Bez aus der englischen Bibliothek in Zürich jeweils zwei oder drei Bände der Krimi-Serie Hardy Boys ausgeliehen.

Bild: Internet

Sein Vater habe das zwar nicht gern gesehen – zu seichte Lektüre. Alfi aber fand die Bücher toll und meint, er habe damit sicher auch seinen englischen Wortschatz aufgebessert. Und eben: Man hätte ja selbst ein Hardy Boy sein können.

Allerdings: Der Nachteil so mancher Serie zeigte sich auch bei den Hardy Boys: irgendwann mal wusste man, wie es läuft.

Und Karl May? Da brauchte Dani nicht einmal in die Bibliothek zu gehen, die Karl-May-Bibliothek stand bei Verwandten!

Die Helden Karl Mays sind nun allerdings ganz anders als die jugendlichen Helden, mit denen man sich identifizieren konnte. Mays Helden waren nicht die Hardy Boys, aber es waren harte Jungs, die sich als Vorbilder bestens eigneten. Der edle, tapfere, gerechte Winnetou! Old Shatterhand, der alles weiss und alles kann! (Beruhigend war natürlich auch, dass sie am Schluss gegen die Bösen immer gewannen.)

Und mit den Helden Karl Mays war man draussen in der grossen weiten unbekannten Welt! Vielleicht hat uns auch das so fasziniert. Sowohl Dani als auch Alfi haben damals Robinson Crusoe und die Meuterei auf der Bounty gelesen:

Ist es Zufall, dass die Buben auch eher schon Wissenschaftliches lasen? Alfi las etwa Segelbücher: Sir Francis Chichester, der in den Sechzigerjahren um die Welt segelte; Dani schmökerte in den Ausgaben des National Geographic; und wir alle drei haben einzelne Bände der Abenteuer des (fiktiven) Piloten Biggels gelesen.

Und schliesslich erinnert sich Dani sogar an einen Klassiker der Weltliteratur, ein Buch, das man offenbar gleichermassen begeistert mit 13 wie mit 93 lesen kann: Vom Winde verweht. Nur: wenn die frühe Begeisterung für dieses Buch der ganz grossen Gefühle nicht ästimiert wird, wenn sie im Aufsatz auftaucht, dann ist das doppelt bitter: