21. bis 27. Januar 1973: Skilager in Sedrun

Der Bremgarter Bezirksanzeiger bringt kurz vor der Abreise einen Ausblick aufs Skilager:

Bremgarter Bezirksanzeiger, 19. Januar 1973

Sonntag, 21. Januar

Am Morgen: Von Bremgarten nach Andermatt, dort eine Stunde Aufenthalt, dann weiter nach Sedrun. Zimmerbezug in der Tgèsa Strem, die Mädchen im ersten Stock, die Buben im zweiten. Essen. Und "Schon nach dem Essen schickte Steimen uns auf die Piste; auf den Idiotenhügel." So steht es im Tagebuch.

"Als wir zurückkehrten packten wir in Ruhe aus und installierten unsere Apparate: 1 Tonband, 2 Radios. Durch die Röhren der 2er-Betten zogen wir die Drähte für die Kopfhörer. Auch einen Sender der Gegensprechanlage von B. bekamen wir. (…) Jeder von uns hatte einen Ohrhörer ans Tonband angeschlossen."

Heute sehen die Vier-Zimmer so aus. Auch damals waren es Kajütenbetten.

Die Gegensprechanlage ist allerdings bereits am gleichen Abend ein erstes Mal weg: "André Sigel wollte zu uns funken um uns zu warnen, drückte dabei aber auf den falschen Knopf, den zu Bircher. Im selben Augenblick war Steimen in Zimmer 14 (Markus Bircher, Ferdi Staub, Urs Humbel, Ede Liechti) getreten und fragte, wer geschwatzt habe. Es wurde mäuschenstill, und auf einmal tönte es: 'Alarm, de Steime chunt.'" Lagerleiter Steimen konfisziert die Geräte.

Montag, 22. Januar

5 Uhr. Röbi kann nicht mehr schlafen. Er schleicht sich mit Dani aus dem Haus, die beiden strielen durchs nächtliche Dorf und schreiben mit grossen Buchstaben die Namen ihrer Flammen auf das verschneite Eisfeld.

Skifahren im Nebel im Milez-Gebiet, am Abend ins Hallenbad.

Das Essen ist ok. "Auffallend war, dass die Resten des einen Tages immer in der Suppe des kommenden Tages wiederkehrten."

Dienstag, 23. Januar

Um 2 Uhr klopft es an unsere Tür – wir sollten zu einem nächtlichen Spaziergang kommen. Lieber nicht. Angsthasen.

Die Sonne scheint, es bleibt so bis zum Ende des Lagers.

Tanzabend.

Mittwoch, 24. Januar

Freier Nachmittag. Die Gruppe – acht, neun Leute – hat zwei Liter Wein im Gepäck, als es auf den Hügel geht. "Wir sassen dann zwischen 3 Tannen, wo es trocken war und öffneten die Flasche. Jeder war jetzt mit jedem Bruder oder Schwester. Wir gaben uns je zwei Küsse auf die Wangen, als Zeichen dafür."

Filmabend: '16 Uhr 50 ab Paddington', ein Krimi von Agatha Christie.

Bedrückte Stimmung im Zimmer: Die Nachricht macht die Runde, M. nehme Drogen. Diskussion bis tief in die Nacht – und bis wir Hunger bekommen. Wir packen im Zimmer die Rüeblitorte aus, die Margrit uns geschickt hat. "Überhaupt hatten wir genug zum Naschen, Dani allein hatte 5 Pakete bekommen. Über die Hälfte davon ging in die anderen Zimmer."

Bis zwei Uhr morgens kleine Experimente: beginnen Leute im Schlaf zu reden, wenn man mit ihnen spricht und sie etwas fragt?

Donnerstag, 25. Januar

Skifahren. Lagerleiter Steimen lernt auf dem Skilift eine junge Frau kennen und lädt sie in die Tgèsa Strem ein. Nach dem Nachtessen ist Tanzabend, Lehrer Rohr fordert Steimen auf, einen Lawinentanz zu beginnen. Er sträubt sich, gibt dann aber doch nach. Hämisches Grinsen.

Freitag, 26. Januar

Mit der Gitarre den Milez-Lift hoch, "…und suchten uns ein schönes Plätzchen, wo wir dasitzen konnten. Es kam uns in den Sinn, dass wir nichts zu trinken hatten, und so gingen wir nochmals hinab in die Beiz und holten 5 Zweier Kalterer und 5 Zweier Valpolicella. Es waren die billigsten Weine." Zehn Zweier für zehn Leute. "Wir tranken und sangen und hatten es lustig. Den Lehrern, die unten mit dem Skilift ankamen, prosteten wir zu. Wir waren durch den Wein ein wenig angeheitert, aber noch lange nicht betrunken."

Unterwegs am Nachmittag im Dorf: "Beim Bahnhof sahen wir plötzlich Caduff, der dabei war, das Bahngeleise zu überschreiten und den darauffolgenden Hügel zu ersteigen. Oben wartete schon Steimen. Wir folgten natürlich dem Beispiel Caduffs und überquerten die Schienen. Oben bei Steimen angelangt fluchte uns dieser an, dass es nicht mehr schön war. Wir mussten zurück und den ganzen Umweg machen. Aber Steimen wartete auf uns und fluchte weiter, wir marschierten weiter, ohne aufzuschauen. Er fragte uns, was wir uns eigentlich einbildeten, wenn ein Lehrer etwas tue, so sollten wir nicht das gleiche tun. Dabei hatte er immer von Gemeinschaft gepredigt. Schöne Gemeinschaft, bei der die Lehrer mehr und anderes zu essen bekommen, Wein trinken, das Gleis überquerten, rauchten, länger aufblieben, Radios bei sich hatten, ihre Zimmer nicht selber machten und sich noch andere Sachen leisteten, von denen die Schüler nicht einmal sprechen durften."

Vom Bahnhof zur Tgèsa Strem – und die Abkürzung. Tagebuch

Der 'bunte Abend' ist überschattet von den Ereignissen am Nachmittag. 'Bunt' heisst: es gibt 'Produktionen', alle sind im Aufenthaltsraum / Speisesaal versammelt.

Der Aufenthaltsraum heute

Manches artet etwas aus bei unserer Produktion – kann man das so sagen? "Müller spielte den Steimen, die anderen die Schüler. A one, a two, a one, two, three, four … lueged vo Berge und Tal…. Wir gaben alles her, was unsere Stimmen zu bieten hatten. Am Schluss tönte es wahrscheinlich noch ziemlich gut. Auf einmal unterbrach uns Müller. Das war nicht vorgesehen. Er improvisierte und kündigte an, wir wollten ein paar Atemübungen machen: Tsch, tsch, tsch, tsch… No, no, no, no, no, no, no… Mi, mi, mi, mi, mi, mi, mi… dann mussten wir hächeln. Ich kann mir vorstellen, dass diese Passage Steimen am meisten 'freute'. Dann begannen wir mit dem Lied nochmals von vorne und sangen noch lauter als vorher. Um Steimen noch wütender zu machen, betonen wir alle t am Schluss der Wörter, wie er es jeweils bei uns wollte, als wir noch bei ihm Singen hatten."

Lueget fo Berge… Zettel aus dem Tagebuch

Samstag, 27. Januar

Aufräumen. Zimmermachen. Packen. Dann schickt uns die Lagerleitung nochmals auf die Piste. "Es schneite wieder und war kalt." In der Beiz singen wir nochmals 'Lueged vo Berge und Tal', als die Lehrer eintreten.

Nach dem Mittagessen: Besichtigung der Totenschädel in der Kirche.

Lagerleiter Steimen lobt zum Schluss, alle hätten sich toll betragen – mit ein paar Ausnahmen, die er vergessen wolle. Es sei ein gelungenes Lager gewesen, er habe sich entschlossen, das Lager auch im kommenden Jahr wieder zu leiten.

Eine chaotische Woche.

 

PS: Die Tgèsa Strem gibt es heute noch. Und auch heute noch kann man dort Ferien mit Gruppen machen. Die Fotos hier stammen von Angeboten im Januar 2023. Vom damaligen Lager gibt es meines Wissens keine Aufnahmen.