16. Mai 1972, Dienstag: Stipendien

"Stipendien sind Beiträge an die Ausbildungskosten." So steht es auf dem Blatt Papier, das wir dieser Tage vom Rektorat bekommen haben.

Mit den Stipendien sollten die Verkehrsmittel bezahlt werden, "sofern die Länge des Schulweges dessen Benützung nötig macht", sowie das Essen, wenn man nicht zuhause essen konnte.

An diesen Kosten beteiligte sich der Staat, "sofern die Eltern dafür ohne unzumutbare Einschränkungen nicht aufzukommen vermögen." Einkommen, Vermögen und die Zahl der Kinder bestimmten, wer Stipendien bekam und wer nicht. Und wer sich darum bewerben wollte, den bat Rektor Knecht, "der schriftlichen Anmeldung das letzte Taxationsprotokoll (Steuereinschätzung) beizulegen." Prüf-Gremium für die Gesuche sei eine Zentralstelle in Aarau. Gemäss Gesetz gab es zwischen 100 und 600 Franken. War das viel? Ein BDB-Billet kostete damals pro Monat 23 Franken von Rudolfstetten aus, 17 Franken von Berikon/Widen und 13 Franken vom Heinrüti. Ausbezahlt würde das Stipendien-Geld, so heisst es weiter, im November.

Die schulische Leistung der Jugendlichen war bei der Vergabe von Stipendien nicht relevant: "Insbesondere haben auch provisorisch beförderte Schüler und Repetenten Anspruch auf Stipendien."

Ich habe den Brief von Rektor Knecht zuhause nicht abgegeben: wir hatten genug Geld, waren auf die Stipendien nicht angewiesen. Stattdessen habe ich das Blatt als Notizzettel während einer Physikstunde  benutzt.