Romano Caduff

In einer Schülerzeitung vom Sommer 1973 erscheint ein Interview mit Romano Caduff. Auf die Frage, wie alt er sei, spricht er nicht nur über sich selbst: "Herr Knecht, Herr Rohr und ich haben einiges gemeinsam: nicht zuletzt: Jahrgang 1942!"

Er komme aus Tavanasa, "einer kleineren Ortschaft im Bündner Oberland, wo die Leute morgens einander 'bien di' und abends 'buna sera' wünschen." Auch der Name sei bündnerisch: 'Ca' sei die Kurzform für 'Casa', also 'Haus', und 'Duff' sei ein Familienname. Er sei also einer aus dem Hause Duff.

Aus: Schülerzeitung, 1973

Weshalb ist er Lehrer geworden? "Zweifellos haben einige hervorragende Mittelschullehrer, die durch ihre persönliche Ausstrahlung und Hingabe mich stark beeindruckten, in mir den Wunsch wachgerufen, Lehrer zu werden."

Als Lehrer verliess er dann das Bündner Oberland – kehrte aber immer wieder dorthin zurück, nach Tavanasa. Unter anderem, um Fussball zu spielen. Ciril Friberg, der nur zwei Häuser neben jenem der Caduffs wohnte, schrieb mir, Caduff sei schon mit 16 in die Mannschaft der Uniun Sportiva Danis-Tavanasa aufgenommen worden, als Mittelfeldspieler: "Er war gross, hatte die Übersicht und verteilte die Bälle an die freistehenden Flügelstürmer. Seine Freistösse waren gefährlich und viele landeten direkt ins Lattenkreuz."

Foto: Ciril Friberg. Hinten: Erster v.l.: Romano Caduff, 4. v.l.: Ciril Friberg

Es ist wenig verwunderlich, dass Caduff eine der Stützen der Bremgarter Lehrermannschaft war, wenn sie jeweils am Sporttag gegen die besten Schüler anzutreten hatte ("Einen schönen Corner von Wächter verwandelte Caduff mit dem Kopf zum 1:1."). 

Caduff war aber auch in der Badi anzutreffen. Pia hat mir dieses Bild vom Juli 1983 geschickt:

In der Schule hatten wir Deutsch und Französisch bei ihm, verbrachten also einen guten Teil unserer Schulstunden in seinem Schulzimmer. Zeit, im Franz-Buch manchmal auch den Bleistift in die Hand zu nehmen.

Ich glaube, er hat uns ernst genommen. 'Wohlwollen' ist ein Wort, das mir einfällt, wenn ich an ihn denke. Was er uns beibrachte, interessierte ihn, und auch wir interessierten ihn. Keine Alibi-Diskussionen und dergleichen im Unterricht. Er hat uns auch immer wieder unterstützt, wenn wir Ideen für irgendwelche Projekte hatten, hat uns geholfen, sie zu realisieren. Aber: Vielleicht überschätzte er seine SchülerInnen auch. Wenn sie ihn ärgerten – und bei welcher Lehrperson geschieht das nicht?! –, dann ging ihm das nahe.

Als ich Kurt Steimen im Sommer 2020 zu einem Gespräch traf, erzählte er, es sei Caduff in späteren Jahren psychisch zusehends schlechter gegangen. Er habe manchmal den Eindruck gehabt, die ganze Klasse, die er gerade unterrichte, sei gegen ihn. Schliesslich habe er sich beurlauben lassen und habe ein Jahr in der Bündner Heimat verbracht. Dort habe er, Steimen, ihn einmal besucht. Caduff habe Angst gehabt, zurück an die Schule zu kommen. Und doch kam er zurück. Kurz darauf habe man sein Auto an der Reuss gefunden. Klarheit über seinen Tod habe es nicht gegeben. Die einen hätten von einem Unfall gesprochen. Er selber sei überzeugt, Romano Caduff habe sich am Fluss das Leben genommen.

Caduff starb am  8. Oktober 1987, nur wenige Tage vor seinem 45. Geburtstag. In der Todesanzeige steht, die letzten Worte, die er geschrieben habe, seien: "Lein acceptar la veglia da Diu", lasst uns dem Willen Gottes folgen.

Die Familie Caduff wohnte in Tavanasa in diesem Haus:

8 Kinder waren sie, mit den Jahrgängen 1923 bis 1942, vier Brüder und vier Schwestern. Die Primar- und Sekundarschule besuchte Romano im benachbarten Danis. Ab 1956 – ich folge dem Lebenslauf, den die Familie nach seinem Tod zusammengestellt hat – war er in der Klosterschule Mustér, wo er 1962 die Matur machte. Studium in Freiburg. Erste Erfahrungen als Lehrer in Bonaduz und Baar. Ende des Schuljahres 1966/67 taucht sein Name erstmals in der Schulchronik der Bezirksschule Bremgarten auf, unter "Mutationen im Lehrkörper", nachdem ein Lehrer Bremgarten verlassen hat: "Als Nachfolger wurde Herr Romano Caduff von Tavanasa/GR gewählt", notiert Rektor Bundi. Er beginnt im April 1967 als Lehrer für Deutsch, französisch und Italienisch.

Wenn ich Lehrer geworden wäre und mich die SchülerInnen gefragt hätten weshalb, dann hätte ich vermutlich das gleiche gesagt wie Romano Caduff damals – und dabei auch an ihn gedacht.

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Veröffentlicht: 30. Juli 2022