Geographie in der zweiten Bez

Europa…

Was war der 'Plan' für die Geographie in der zweiten Bez? Offiziell sah der Plan Folgendes vor – gemäss dem 'Lehrplan für die Bezirksschulen des Kantons Aargau' von 1972:

In der ersten Bez hatten wir uns mit der Schweiz befasst. Das lag jetzt hinter uns. Jetzt konnten wir den Blick weiten – nach Europa!

Die Schul-Reise durch Europa beginnt in Dänemark. Mit seinen Fähren und Brücken, der Verkehrslage zwischen Nordsee und Ostsee, der Hauptstadt Kopenhagen, der Wirtschaft des Landes.

Die allgemeine Lage von Skandinavien "gleicht einer schräg im Wasser liegenden Steinplatte, deren westlicher Rand mauerartig zum Meer abfällt."

Das Klima gehört dazu, natürlich die Mitternachtssonne und die Polarnächte jenseits des Polarkreises, dann noch der Golfstrom mit seinen Auswirkungen auf Klima und Wirtschaft.

Norwegen: Das Land mit den Polarforschern, den Schären und Fjorden: "In der Eiszeit zwangen sich die Gletscher zu Tal und bewegten sich dem Meer zu: Das Eis hobelte die Täler immer mehr aus."Auf dem "Fjell" (oder "Fjeld") wohnen die "Lappen". Ihnen liefert das Rentier "alles, was es zum Leben braucht, Fleisch, Fett, Blut, Felle, Sehnen, Leder, Knochen." An der Küste wird Fisch gefangen, wird der Dorsch als Stockfisch konserviert: "Der Schwanz des einen Fisches wird geschlitzt, ein zweiter mit der Schwanzflosse durchgesteckt und das Paar über eine Stange, Stock, zum Trocknen aufgehängt."

Schweden: Die einzelnen Landschaften und der Götakanal aus dem 19. Jahrhundert, der über eine Strecke von 190 Kilometern Stockholm mit Göteborg verbindet.

Der schwedische Wald ("Nadelwälder – Reichtum Schwedens") sowie das Erz und seine wirtschaftliche Bedeutung schliessen das Kapitel Schweden ab.

Finnland – das "Land der tausend Seen". Die Zeit reicht offenbar nur für ein paar wenige Anmerkungen zur Wirtschaft.

England kündigt sich an mit einer Karte Grossbritanniens:

Die Meere, der Schiffsverkehr – samt Fahrplan: Basel, ab 04:25, über Ostende und Dover bis London, an 19:18. Der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal liegt noch weit in der Zukunft, er wird erst 1994 eröffnet.

Den Docks an der Themse in London ist ein eigenes Kapitel gewidmet: welche Docks, wann erbaut, wie lang, Anzahl Schiffe, die Platz haben, woher die Schiffe kamen, und was sie brachten: Tee, Reis, Kaffee, Sisalfasern, Wolle, … aus den Ländern der ganzen Welt.

Die Hauptstadt London hat ihre Bedeutung "zu einem grossen Teil ihrer Lage zu verdanken" – gegenüber den wichtigen Wirtschaftshäfen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland. Während im 14. Jahrhundert 35'000 Menschen in der Stadt wohnten, waren es 1950 8,4 Millionen. Der grosse Sprung fand statt zwischen 1851 und 1911: in dieser Zeit verdreifachte sich die Bevölkerung von 2,4 Millionen auf 7,25 Millionen. Die Fläche der Stadt: riesig, wenn man mit der Schweiz vergleicht:

Damit haben wir die erste Hälfte der zweiten Bez hinter uns – eine Notiz von Lehrer Grossholz weist darauf hin. Wir bleiben aber auch nach den Herbstferien noch in England, schauen uns das Klima an, insbesondere die Verteilung der Niederschläge (viel im Westen, weniger im Osten) und den 'Fog', "Mit Schmutz, Rauch und Russ vermischt" – "ungesund", und er "legt den Strassenverkehr lahm".

Das Klima beeinflusst auch die Wirtschaft, etwa die Nutzung der Böden. Wo Kohle und Eisenerz abgebaut und verarbeitet werden, entstehen grosse Bevölkerungszentren – Birmingham etwa: "Alles überzieht sich mit Rauch, Russ und Schmutz. Arbeiter- und Elendsviertel." Wolle kommt teilweise von den eigenen Schafen, wird aber auch importiert und zu Textilien verarbeitet. Ein Ausflug in die Geschichte – die Erfindung der Dampfmaschine sowie der Web- und Spinnmaschine – erklärt den epochalen Aufschwung der Textilindustrie.

Nach einem kurzen Abstecher nach Schottland steht das Commonwealth auf dem Programm: "…eine freie Vereinigung gleichberechtigter, unabhängiger Staaten unter der Britischen Krone als Symbol und Haupt." Die Bedeutung der Kolonien ist dabei "heute nur noch gering."

Der nächste grosse Brocken steht an, der in meinem Heft fast 30 Seiten einnimmt: Frankreich.

Die verschiedenen Regionen des Landes, die Übergänge zwischen ihnen, die verschiedenen Kanäle: der Rove-Tunnel zwischen Marseille und der Rhône, der Canal du Midi zwischen der Rhône und Toulouse, der Rhône-Rhein-Kanal durch die burgundische Pforte,  der Rhein-Marne-Kanal bei der Schwelle von Lothringen. Dann das Wesen des Zentralmassivs und die Kuppelberge der Auvergne mit den erloschenen Puy-Vulkanen und dem Zentrum Clermont-Ferrant mit seiner Industrie – unter anderem:

Das Gebiet der Landes streifen wir (versandete Ebenen, Kiefernwälder, Terpentin…), Armorika (die Bretonen mit ihrer keltischen Sprache, Dolmen und Menhire [Asterix und Obelix!!!], les calvaires und die Fischerei…)

"Das Pariserbecken gleicht 4 verschieden grossen, ineinandergestellten Tellern, zwischen denen je eine Schicht Sand liegt."

An der Côte de Champagne: der Champagner natürlich.

Paris. "'Paris, c'est la France'". Mode, Universität, Eiffelturm, Kunst, Boulevards, Banlieues, Verkehr im Zentrum und nach aussen…

Die Normandie mit den grossen Häfen Le Havre und Cherbourg, aber auch mit den Kreide-Falaises und der Küste, wo am 6. Juni 1944 die Alliierten landeten.

Das Rhônetal und die Provence: Mistral, Rhône-Delta, Camargue, die römischen Ruinen in Arles und Nîmes, Avignon als Residenzstadt der Päpste

Die französische Wirtschaft ist ein Schwerpunktthema, mit den einzelnen Industriezentren und ihren Spezialitäten: Kohle, Metall ("Frankreich kann viel Eisenerz nach Belgien und ins deutsche Grenzgebiet ausführen, muss aber Kohle aus dem Saar- und Ruhrgebiet einführen."), Textilien, Schiffbau, Chemie.

EWG und Montanunion: Ein Ausflug in die Geschichte, als 1950 Robert Schumann den Vorschlag machte, dass Frankreich und Deutschland ihre Kohlen- und Stahlproduktion koordinieren sollten, und ein Jahr später diese beiden Länder und zusätzlich Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gründeten, die Montanunion. 1957 dann die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die EWG. Lehrer Grossholz verteilte uns zu den europäischen Bündnissen mehrere Matrizen-Blätter, angefangen bei Churchills Zürcher Rede am 19.9.1946 über den Europarat, die Montanunion, die EWG, die EFTA, den Comecon, die OECD, bis zur NATO.

Der Mittelmeerraum

Das Mittelmeer als eine einzige blaue Fläche? Da kann man schon differenzieren: die verschiedenen 'Meere': schwarz, ägäisch, jonisch, ligurisch…; die verschiedenen Strassen: von Otranto, Gibraltar, Messina, die Dardanellen…; die verschiedenen Golfe: von Gabes, Sydra, Lion.

"Im Altertum galt das Mittelmeer als das Weltmeer. Die alten Griechen nannten es 'das grosse Meer'. Es bildet die breite Verkehrsstrasse zwischen Morgen- und Abendland. (…) Von Afrika und Vorderasien sind Völker und Kulturen über die Halbinseln nach Europa eingewandert. Sie haben dabei die südeuropäischen Länder tiefgreifend beeinflusst." Nach den Entdeckungen verlor das Mittelmeer dann seine wirtschaftliche Bedeutung zu einem guten Teil, ehe der Suez-Kanal den Schiffweg in den Osten öffnete.

Weitere Eckdaten zur Grösse des Mittelmeers, zu Wassertemperaturen, Wasserverdunstung, und wie die Verdunstung durch Nachschub aus dem Atlantik wettgemacht wird. Wäre dies nicht so, müsste der Spiegel des Mittelmeers "beträchtlich sinken und weite Flächen freilegen." Vieles leuchtet ein, wenn ich es jetzt lese oder anschaue, etwa der Zusammenhang zwischen Verdunstung, Salzgehalt und Wassertemperatur.

Auch die klimatischen Verhältnisse in den Ländern rund ums Mittelmeer schauen wir uns recht detailliert an. So detailliert, dass es für das nächste Land in Europa nur noch für den Titel reicht:

Italien, wie Frankreich ein grosses Nachbarland der Schweiz. Und… fehlt da nicht noch etwas? Im Lehrplan stand doch: In der 'Länderkunde' sollten vor allem die Nachbarstaaten behandelt werden, steht da. Was war denn mit Deutschland?